Toyota Camry: Wieder in Europa erhältlich, aber ein Detail nervt
15 Jahre lang blieb uns der Verkaufshit von Toyota vorenthalten. Für die achte Generation des Camry hat man sich in der Konzernzentrale in Japan aber entschieden, die Limousine der Mittelklasse auch nach Europa zu bringen – mit nur einer Motorvariante.
- Der Listenpreis des Totoyta Camry liegt bei 42.881 Euro
- Die einzig verfügbare Motorvariante ist ein Hybrid mit einer Systemleistung von 218 PS
- Den Camry gibt es ausschließlich als Limousine mit Stufenheck
München – Der Toyota Avensis ist tot, es lebe der Toyota Camry. Nach 15-jähriger Abstinenz bringen Toyota sein Erfolgsmodell (knapp 20 Millionen verkaufter Exemplare weltweit) wieder nach Deutschland – ausschließlich als Hybridmodell mit 218 PS. Wir haben die Mittelklasse-Limousine im Alltag getestet.
Dank kurzer Überhänge streckt sich der neue Camry fast schon endlos in die Länge wie eine Raubkatze. Die Vorderfront mit den über die ganze Breite fließenden Lamellen und der V-förmigen Kühlerspange sieht verwegen aus. Ein starker Auftritt, den man so sonst nur von der Konzernschwester Lexus kennt. Außen ein Auto für Feinschmecker, innen ein Fahrzeug mit optischer Hausmannskost.

Zwar sollte man in Betracht ziehen, dass der Camry Executive mit einer prallen Ausstattung daherkommt und mit knapp 43.000 Euro im Vergleich zu seinen Mitbewerbern eher knapp kalkuliert ist. Aber ein bisschen mehr Chic hätte schon sein dürfen. (Suzuki Across: Kollaboration mit einem der ganz Großen)
Toyota Motor Corporation | |
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Sitz | Toyota (Japan) |
Gründung | 1937 |
Chef | Akio Toyoda |
Bekannte Modelle | Yaris, Supra, Hilux, Land Cruiser, RAV4, Corolla, Camry |
Verkaufte Fahrzeuge 2019 | 9,71 Millionen |
Der acht Zoll große Touchscreen für alle wesentlichen Funktionen des Infotainment-Systems ist dafür voll ins Cockpit integriert. Die Menüführung wirkt übersichtlich, ist es aber nur bedingt. Manche Funktionen müssen immer noch über das Kombi-Instrument gesteuert werden, das zwischen Tacho und Leistungsanzeige platziert ist.
Toyota Camry: Hohe Geräuschentwicklung des Motors bei hohen Drehzahlen
Den Camry gibt es nur mit einer einzigen Motorisierung als Benziner mit Elektro-Unterstützung. Ein wenig nervig ist die Toyota-Hybrid-Architektur. Vereinfacht gesprochen läuft der Verbrenner bei hoher Lastanforderung auch im hohen Drehzahlbereich, um die Energie möglichst effizient zu nutzen. Beim moderaten Fahren merkt man das kaum. Will man allerdings beschleunigen, dann jault der Motor über lange Strecken im hochfrequenten Bereich. Und das ist ein Detail, das wirklich nervt, zumal wir hier von der Oberen Mittelklasse sprechen.
Das ist eine echte Spaßbremse, führt aber zwangsläufig dazu, dass man nicht häufiger als nötig auf das Gaspedal drückt und damit automatisch verbrauchsarm fährt. Die vom Hersteller angegebenen 5,3 Liter blieben zwar in weiter Ferne - tatsächlich schluckte der Camry 6,1 Liter. Allerdings waren kaum Stadtfahrten darunter. Und gerade beim Stop-and-Go-Verkehr entfaltet so ein Hybridsystem seine ganze Stärke. Verbräuche um die vier Liter dürften im Stadtverkehr möglich sein. (Spritverbrauch: Durchschnitt, Verbrauchsrechner, die sparsamsten Autos – Kraftstoffe im Vergleich)
Toyota Camry: Mittelmäßige Beschleunigung, Bestnoten beim Komfort
Wer eine durchzugskräftigere Beschleunigung möchte, der ist beim Toyota Camry falsch. Mit 8,3 Sekunden von 0 auf Tempo 100 liegt die Fernost-Limousine eher im mittelprächtigen Bereich. Das Systemdrehmoment von 400 Newtonmeter hingegen macht Laune. Wenn der 178 PS-Benziner gemeinsam mit dem 120 PS starken E-Motor an einem (Antriebs-)Strang zieht, ist zumindest im unteren Drehzahlbereich für ausreichend Spaß gesorgt.
Im Gegensatz zu einem Plug-in-Hybrid kann der Camry nicht aufgeladen werden. Er versorgt sich beim Rekuperieren zwar immer wieder selbst mit neuer Energie, kann aber keine langen Strecken rein elektrisch zurücklegen. Insgesamt soll der Anteil der elektrischen Unterstützung laut Toyota bei 50 Prozent liegen. Dass man mit zwei Maschinen fährt, bemerkt man im Alltag kaum, die Aggregate spielen sehr geschmeidig zusammen. Sehr angenehm ist das elektrische Fahren, das man auch über eine spezielle Taste erzwingen kann, wenn man in der Tiefgarage unterwegs ist oder frühmorgens leise aus der Garage rollt, ohne die Nachbarn wecken zu wollen. (Toyota Century: Das ist der japanische Maybach)
Toyota Camry: Fahrwerk vereint Komfort und Dynamik
Angenehm ist auch die Geräuschentwicklung - oder besser deren Unterdrückung. Der Motorraum ist so gut gedämmt, dass man beim Fahren fast nur Wind- (die allerdings laut) und Reifengeräusche hört. Es sei denn, man drückt das Gaspedal voll durch - siehe oben. Fahrwerk und Federung entsprechen ebenfalls dem Standard einer gehobenen, aber gelassenen Limousine. Und trotzdem haben die Japaner ihrem Meistverkauften einen sportlichen Charakter eingehaucht. Das Fahrwerk ist so fein abgestimmt, dass sich der Camry recht flott durch die Kurven jagen lässt. Natürlich nur im Bedarfsfall, denn der Komfort steht ja bei einer Limousine im Mittelpunkt. (Hybrid: Renault Clio E-Tech – warum sich der Franzose von vielen anderen Hybriden unterscheidet)
Die Konzentration auf Komfort hätte man den Toyota-Entwicklern auch beim Thema Kofferraum gewünscht. Der ist zwar mit 524 Liter durchaus im ordentlichen Bereich. Aber schon bei der Ladehöhe von knapp 70 Zentimetern wird es unbequem. Wenn es nur das wäre: Auch die hohe Ladelippe (16 Zentimeter) zwingt zu unnatürlichen Armbewegungen, die eigentlich ins Fitnessstudio gehören.
Das Fazit: In Sachen Verbrauch und Bequemlichkeit hat der Camry Höchstnoten verdient. Und auch das Preis-Leistungsverhältnis liegt mit 42.881 Euro in einem vernünftigen Bereich. So gewöhnungsbedürftig die hybride Antriebs-Architektur auch sein mag: Aus dem Umwelt-Blickwinkel macht sie Sinn. Das gute Gewissen fährt beim Camry immer mit. (Von Rudolf Bögel / mid)