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Mercedes S 400 d 4matic im Test: Seine riesige Reichweite lässt alle Elektroautos alt aussehen

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Von: Sebastian Oppenheimer

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Zumindest bei uns in Europa ist die derzeit beste Mercedes-Benz S-Klasse der S 400 d 4matic. Wirklich schade, dass die Dieselmotoren gerade so in Verruf geraten.

Stuttgart – Auf der Suche nach einer perfekten Mercedes S-Klasse für den luxuriösen Alltag blickt man vermeintlich auf ein sinkendes Schiff: Wie lange wird es eine Mercedes S-Klasse als ebenso drehmomentstarken wie sparsamen Diesel überhaupt noch geben? Die kommende Schadstoffnorm Euro 7 macht das Ganze zunehmend schwierig, denn in den Jahren ab 2025 dürfte es bei weiteren Verschärfungen selbst in der so ertragreichen Luxusklasse eng für einen Dieselantrieb werden. Dabei ist der neue Mercedes S 400 d 4matic eine fürwahr große Verlockung. Okay, er hat nicht den Dampf des 400 PS starken BMW 750d und nicht die Urgewalt des Audi A8 60 TDI mit seinen 435 PS und 900 Nm – doch die beiden einzigen Wettbewerber wurden jüngst ersatzlos eingestellt. Wer einen leistungsstarken Kilometerfresser in der Luxusklasse will, kommt daher um den neuen S 400 d kaum noch umhin, wenn es nicht der 340 PS starke BMW 740d werden soll. (Riesen-Niere vom BMW 7er: China-Kopie legt noch einen drauf)

Fahraufnahme eines Mercedes S 400 d
Unter der Haube des Mercedes S 400 d werkelt ein 3,0-Liter-Sechszylinder-Diesel mit 330 PS. © Mercedes-Benz / Dieter Rebmann

Mercedes S 400 d 4matic im Test: Diese Reichweite lässt Elektroautos alt aussehen

Der drei Liter große Sechszylinderdiesel der Schwaben leistet 243 kW (330 PS) und ein stattliches Drehmoment von 700 Nm. Aus dem Stand geht es dank serienmäßigem Allradantrieb und gut abgestimmter Neungangautomatik in kurzen 5,4 Sekunden auf Tempo 100 und bei 250 km/h wird abgeregelt. Der Selbstzünder ist exzellent gekapselt und so lässt kaum etwas einen Dieselmotor vermuten. Selbst unter Last und mit entsprechenden Drehzahlspitzen könnte es sich auch um einen Sechszylinderbenziner handeln. Der Schub ist kraftvoll, aber nicht gewaltig, und so bleibt die Frage, wieso das Luxusmodell aus Sindelfinger Produktion nicht noch mehr Pferdestärken unter der langen Lumousinenhaube hat? 350 oder 380 PS wären angesichts der breiten Motorenpalette mit bis zu 700 PS angemessen für eine S-Klasse, die als Leergewicht mehr als zwei Tonnen auf die Waage bringt. Dabei liegt der Motor überraschend leicht auf der selbstverständlich luftbefederten Vorderachse. Die Lenkung ist gerade in geringen Tempi leichtgängig und allemal präzise. Wie schon beim Triebwerk könnte es durchaus noch etwas mehr – diesmal an Präzision – sein. Das würde jedoch Komforteinbußen bedeuten und in Sachen Komfort machen die Mercedes-Entwickler nur höchst ungern Kompromisse. (Von Mercedes X-Klasse bis Toyota Prius: Diese Automodelle stellten die Hersteller im Jahr 2020 ein)

Fahraufnahme eines Mercedes S 400 d
Der Normverbrauch des Mercedes S 400 d liegt bei 6,4 Litern – was eine theoretische Reichweite von rund 1.000 Kilometern bedeutet. © Mercedes-Benz / Dieter Rebmann

Mercedes S 400 d 4matic im Test: Mitlenkende Hinterachse reduziert Wendekreis

Was der Dieselfahrer neben dem bulligen Durchzug eines Commonrail-Aggregats besonders schätzt, sind die seltenen Aufenthalte an der Zapfsäule. Der Mercedes S 400 d 4matic lockt mit einem Normverbrauch von gerade einmal 6,4 Litern Diesel auf 100 Kilometern. Dank des 65-Liter-Tanks bedeutet das eine Reichweite von rund 1.000 Kilometern. Davon können Fahrer eines Elektromodells wie dem 2021 folgenden Mercedes EQS oder dem hybriden Mercedes S 560e bei vergleichbaren Fahrleistungen nur träumen. Einmal volltanken in weniger als fünf Minuten und ganz ohne aufgezwungen Kaffeestopp geht es mit Volldampf weiter auf Autobahn oder Landstraße. (Mercedes-Maybach GLS 600: So was gibt’s nicht mal in Bentley und Rolls-Royce)

Was den 5,18 Meter langen Mercedes S 400 d 4matic als Langstreckenfahrzeug so anziehend macht, ist der nahezu grenzenlose Reisekomfort. Windgeräusche, Abrolltöne oder der Motorenklang – hier setzt die Diesel-S-Klasse allemal Maßstäbe. Dabei passen sich Fahrwerk, Gangwahl, Motorsteuerung und Allradantrieb jeweils gekonnt dem angewählten Fahrprogramm an. Im Komfortmodus fühlt man sich am wohlsten und schärft bei der Lenkung auf dem Touchscreen wenn gewünscht nach. Klasse – gerade in der Innenstadt: Die mitlenkende Hinterachse, die die beiden hinteren Räder um bis zu zehn Grad einschlagen kann. Das reduziert den Wendekreis um bis zu zwei Meter. Wie praktisch das ist, zeigt der Selbstversuch in der Tiefgarage.

Blick auf die zweite Reihe einer Mercedes S-Klasse
Beim Reisekomfort spielt der Mercedes S 400 d 4matic in der ersten Liga. © Mercedes-Benz / Daniel Maurer

Die Ledersitze mit allen nur erdenklichen elektrischen Verstellmöglichkeiten sind eine Wucht. Groß und Klein sitzen im und nicht auf dem Ledersessel. Die Stuhlbedienung an der Türtafel ist gewohnt praktisch, da tun sich andere Hersteller schwerer. Leider lassen sich in der Türverkleidung neben der Sitzverstellung nur Sitzheizung und -kühlung justieren. Ein Direktschalter für die Massagefunktion wäre schon wegen der möglichen zehn Programme nicht unterzubringen.

Blick in den Innenraum einer Mercedes S-Klasse
Innen wirkt die neue S-Klasse deutlich weniger barock als die Vorgängerversion. © Mercedes-Benz / Dieter Rebmann

Mercedes S 400 d 4matic im Test: Das kostet der Luxus-Diesel in der Basis

Nicht viel schlechter als vorn sitzt es sich im Fond und auch hier ist das Geräuschniveau exzellent. Dazu gibt es ebenfalls Massagen, Hightech-Klang aus bis zu 31 Boxen, separate Klimatisierung sowie Erwärmung von Sitzfläche, Mittelarmlehne und Türtafeln – so lässt es sich kommod reisen. Der Kunde hat dabei die Wahl, ob er mit normalem oder langem Radstand unterwegs sein will. Die Normalversion hat eine Länge von 5,18 Metern und einen Radstand von 3,11 Metern. Die Langversion lockt mit 5,29 bzw. 3,22 Metern – ein imposantes Plus für die zweite Reihe. Weltweit sind nur rund zehn Prozent der Mercedes S-Klasse mit normalem Radstand unterwegs, denn auf den meisten Märkten wird überhaupt nur die Variante mit langem Radstand angeboten. Das Mehrgewicht der XL-S-Klasse: gerade einmal 20 Kilogramm. Dafür ist der Mehrpreis spürbar. Statt der ohnehin schon teuren 105.096 Euro der „Kurzversion“ kostet der Mercedes S 400 d 4matic als Langversion rund 3.500 Euro mehr. Dabei ist die Basisausstattung bei beiden Modellen überaus überschaubar. Mit Luxusinterieur, zusätzlichen Belederungen, Nobelsound und Fahrerassistenzsystemen kommen leicht und locker 25.000 bis 35.000 Euro hinzu.

Technische Daten Mercedes-Benz S 400 d 4matic
Motor/Getriebe/Antrieb3,0-Liter-Sechszylinderdiesel, Neungangautomatik, Allradantrieb
Leistung/Drehmoment243 kW (330 PS) / 700 Nm
Vmax/0–100 km/h250 km/h / 5,4 s
Normverbrauch6,4 Liter/100 km
CO2-Ausstoß167 g/km
Basispreis105.095 Euro

Mercedes S 400 d 4matic im Test: Lenkradbedienung gibt Anlass zur Kritik

Endlich lassen sich auch in der zweiten Reihe die Bildschirme per Touch bedienen, wobei die Bedienung ähnlich dem zentralen Hochkantdisplay in der Mittelkonsole funktioniert. Die animierten Instrumente selbst könnten größer und insbesondere imposanter sein. Das kann auch das große Head-up-Display (leider nur optional) nicht ausgleichen, das einem mit virtuellen Pfeilen den rechten Weg weist und ganz nebenher über alles Wichtige informiert. Kritik gibt es auch am Lenkrad mit dem allzu berührungsempfindlichen Tasten auf den Speichen. Die Bedienung ist alles andere als eingängig und immer wieder rutscht man mit den Daumen einen oder zwei Menüpunkte zu weit und verpasst den rechten Druckpunkt. Angesichts des Perfektionsgrades des S-Klasse-Innenraums besteht hier allemal Verbesserungspotenzial. Das trifft jedoch nicht auf den Laderaum zu, der 550 Liter schluckt und damit der maximalen Zuladung von 700 Kilogramm eine perfekte Heimat gibt.

Ein Lenkrad einer Mercedes S-Klasse
Die Lenkradbedienung in der Mercedes S-Klasse ist verbesserungsbedürftig – die Tasten sind zu empfindlich. © Mercedes-Benz

Wenn Herz und Kopf bei einer Luxuslimousine gleichermaßen entscheiden, man lange Autobahnpassagen mit hohen Geschwindigkeiten liebt und nahezu perfekt reisen möchte, ist der Mercedes S 400 d 4matic die völlig rechte Wahl. Er bietet wahnsinnig viel Auto für jede Menge Geld und enttäuscht an sich nur in einem Punkt: der Fahrerassistenz. Die sehnlichst erwartete Autonomiestufe drei gibt es erst im vierten Quartal 2021 und dann nur in Deutschland. Funktionieren soll sie allein beim Staufolgefahren bis Tempo 60. Was bitte soll das? (Von Stefan Grundhoff/press-inform)

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