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Mercedes EQS 580 4matic im Test: Riesiger Laderaum – geringerer Luxus

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Von: Sebastian Oppenheimer

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Mit der elektrischen Luxuslimousine Mercedes-Benz EQS will Daimler die Topklasse neu definieren – doch an die S-Klasse kommt der neue Stromer nicht ran.

Stuttgart – Erst vor ein paar Tagen verkündete Daimler-CEO Ola Källenius (52), dass man den Konzern in den kommenden Jahren auf Elektromobilität drehen wolle, auch wenn riesige Hintertüren offenbleiben. Gelingen soll das mit Modellen wie dem Mercedes EQS, der die Elektrokaskade von oben herunterdekliniert. So lang wie eine Mercedes S-Klasse (hier geht’s zum Fahrbericht des Mercedes S 400 d 4matic), Dank 3,21 Metern Radstand Platz im Überfluss und elektrischen Reichweiten von weit über 700 Kilometer ohne nachzuladen, sollen nörgelnde Elektrokritiker überzeugen. Dabei muss man sich erst mal mit dem Design arrangieren, denn es heißt im hauseigenen Fachjargon „One Bow“ statt „Three Box“ und an diese Bogenform muss man sich bei einer Luxuslimousine mit 5,22 Metern durchaus gewöhnen. Lange Jahre waren diese Fließhecklimousinen gerade in den großen Fahrzeugklassen verpönt und Modelle wie ein Rover 3500, ein Ford Scorpio oder ein Citroën CX 25 standen nicht gerade für klassischen Luxus auf vier Rädern.

Fahraufnahme eines Mercedes EQS 580 4matic
Nichts für Tempo-Fans: Der Vortrieb des Mercedes EQS 580 4matic endet bei 210 km/h. © Mercedes-Benz

Mercedes EQS 580 4matic im Test: Riesiger Laderaum – geringerer Luxus

Das soll sich mit Modellen wie dem Mercedes EQS ändern, denn die neue Form bringt eine beeindruckende Aerodynamik und jede Menge Platz im Innern. Dort ist der EQS in der Tat opulent dimensioniert, auch wenn er in Sachen Reisekomfort keinesfalls an die aktuelle Mercedes S-Klasse rankommt. Es gibt ihn auch nur mit normalem Radstand, während das Aushängeschild des Luxussegments mit drei Radständen angeboten wird. Der große Luxus fehlt daher in der zweiten Reihe und so werden sich gerade die in Asien so wichtigen Chauffeurfahrzeuge in Grenzen halten. Man sitzt durch das im Unterboden verbaute Akkupaket deutlich höher als beim Verbrenner-Bruder aus Sindelfingen. Es gibt weder eine luxuriöse Einzelsitzanlage, noch kann man die Umgebung, wie bei der vergleichbaren Luxuslimousine möglich, elektrisch durch Jalousien an den Seitenfenstern oder am Heck verschatten. Der Laderaum der Schräghecklimousine ist aber mit 610 bis 1.770 Liter gigantisch. (Mercedes-Maybach S 680 im Test: So edel ist die Super-Luxus-Limousine)

Mercedes-Benz EQS 580 4matic im Test: Displays für Fahrer, Beifahrer und als Zentraleinheit

Auch der Reisekomfort ist ein anderer, als man es von der Mercedes S-Klasse kennt. Die federt durch ihre Luftfederung weich und mit grenzenlosem Komfort über alle nur erdenklichen Bodenunebenheiten hinweg. Fahrer und Passagiere in der ersten wie auch in der zweiten Reihe des elektrischen Mercedes EQS bemerken, dass es bei der Fahrt entkoppelter, aber irgendwie strammer als gewohnt zugeht, was allemal Fahrspaß bereitet. Dabei ist die Ruhe während der Fahrt mehr als beeindruckend. Man wirkt von der Außenwelt entkoppelt, wozu nicht nur das spektakulär geringe Geräuschniveau, sondern auch der gigantische Bildschirm namens Hyperscreen beiträgt, der beim elektrischen Topmodell der Schwaben das Armaturenbrett in Gänze ersetzt. Drei Displays für Fahrer, Beifahrer und als Zentraleinheit bespielen die Umgebung auf beeindruckende Weise. Dabei ist das scharfe Display für den Copiloten zwar schön und gut, aktuell lassen sich hier während der Fahrt vom Beifahrer aber keine Filme schauen oder im Netz surfen. Einen echten Mehrwert gibt es somit nur auf den beiden weiteren Bildschirmen im Fond. (Wütender S-Klasse-Käufer warnt Mercedes-Benz: „Ich werde bis zum Ende kämpfen“)

Fahraufnahme eines Mercedes EQS 580
Mit seinem Fließheck-Design hebt sich der Mercedes EQS deutlich von einer S-Klasse ab. © Mercedes-Benz

Mercedes-Benz EQS 580 4matic im Test: Bei Tempo 210 ist für den Stromer Schluss

Für den Fahrer ändert sich mit dem nicht von allen Kunden beklatschten Umstieg auf den Elektroantrieb und das völlig neue Paket mit den Batterien zwischen den Achsen einiges. Er wird zum entspannten Cruiser und kann sich von der wirklich schnellen Autobahnfahrt verabschieden. Durchaus überraschend reicht der Tacho wie bei den schwächlich motorisierten Fahrzeugen von einst nur bis 220 km/h. Der Grund liegt auf der Hand, denn der Mercedes EQS wird anders als die Mercedes S-Klasse nicht bei 250, sondern bereits bei schlappen 210 km/h abgeregelt. Schneller wird nur die im Herbst vorgestellte AMG-Variante fahren dürfen. Damit setzt sich Mercedes bewusst ab und verfolgt zwar nicht den strikten Volvo- und Renault-Weg mit einer Abregelung bei 180 km/h, doch 210 km/h sind in der Luxusklasse auch gegen die anderen Elektromodelle von Tesla Model S, Porsche Taycan oder Audi e-tron GT überraschend wenig.

Blick ins Cockpit eines Mercedes EQS
Riesige Displays prägen das Cockpit des Mercedes EQS. © Mercedes-Benz

Mercedes-Benz EQS 580 4matic im Test: Atemberaubende Beschleunigung bei jedem Tempo

Gerade auf dem Heimatmarkt dürfte das den ein oder anderen Kunden abschrecken, denn Tempo 210 sind auf der linken Autobahnspur nicht viel. Insbesondere weil der Antrieb des Mercedes EQS gerade als 580 4matic keine Wünsche offenlässt. Die beiden Elektromotoren an Front und Heck des 5,22 Meter langen Mercedes EQS leisten 385 kW / 522 PS und ein maximales Drehmoment von 855 Nm. Die verzögerungslose Beschleunigung des Mercedes EQS ist gerade beim allradgetriebenen 580er unabhängig vom gewählten Fahrprogramm oder dem Grad der eingestellten Rekuperation spektakulär. Denn die 0 auf Tempo 100 in 4,3 Sekunden haben keinen nennenswerten Realitätsbezug, doch die Zwischenspurts sind nahezu aus jedem Tempo nicht weniger als atemberaubend – das kann eben nur ein Elektromotor. Mit DC-Schnellladung mit maximal 200 kW soll der EQS in 15 Minuten um bis zu 260 Kilometer erstarken oder in einer halben Stunde auf 80 Prozent seiner Leistungsfähigkeit kommen. An der heimischen Wallbox mit 11 Kilowatt vergehen aktuell zehn Stunden, bis das Akkupaket wieder komplett gefüllt ist.

Mercedes-Benz EQS 580 4matic im Test: Reichweite von bis zu 670 Kilometern

Der Mercedes EQS will jedoch nicht nur durch seine Fahrleistungen beeindrucken, sondern durch seine Effizienz. Durch das mächtige Akkupaket im Unterflur und einen Normverbrauch zwischen 18,3 und 21,4 kWh / 100 km sollen selbst für den Allradler Maximalreichweiten von über 670 Kilometern drin sein. Und das Fahren macht wirklich Laune, denn man gibt sich viel schneller, als man es erwartet hätte, dem lässigen Cruisen hin. Entspannt und geräuschlos säuselt der 2,6 Tonnen schwere Koloss über Landstraße und Autobahn – bereit, in jede Lücke zu springen und dann wieder den Luxusliner zu mimen, den nichts aus der Ruhe bringen kann. Für mehr Agilität sorgt die serienmäßige Hinterachslenkung, die es einem gerade in der City ermöglicht, wendiger zu sein und in Parklücken zu schlüpfen. (Einzigartiger Mercedes-Benz Pullman steht zum Verkauf – zu einem astronomischen Preis)

Technische Daten Mercedes EQS 580 4matic
Motor/AntriebElektromotor / Allrad
Leistung/Drehmoment385 kW (522 PS) / 855 Nm
Vmax/0–100 km/h210 km/h / 4,3 s
Leergewicht2.585 kg
Laderaum610 – 1.700 Liter
Normverbrauch18,3 – 21,4 kWh / 100 km
Preisca. 130.000 Euro

Mercedes EQS 580 4matic im Test: Das soll der Oberklasse-Stromer kosten

An das im Vergleich zur Mercedes S-Klasse strammere Anfedern gewöhnt man sich ebenso wie an die leichtgängige Lenkung, die gut zum Charakter der elektrischen Luxuslimousine passt. Das gilt für den verwöhnten S-Klasse-Kunden jedoch nur eingeschränkt für das generelle Gefühl, denn in Sachen Luxus, Detailliebe und speziell Sitze ist die ehrwürdige S-Klasse in einer anderen Liga unterwegs als der neue EQS. Mal schauen, ob sich die Kunden damit arrangieren können. Denn bei den Kosten wird es keine großen Unterschiede geben. Die Preise eines Mercedes EQS 580 4matic werden mindestens auf dem Niveau eines vergleichbaren Verbrenners wie dem Mercedes S 580 4matic liegen. Das wären dann rund 130.000 Euro. (Von Stefan Grundhoff/press-inform)

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