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Ferrari Portofino M im Test: Fahren an den Grenzen der Physik – dank neuem Modus

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Von: Sebastian Oppenheimer

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Ferrari gönnt seinem Cabrio Portofino einen Feinschliff, allerdings weitgehend unter altem Kleid. Ein neuer Modus bringt den Fahrer an Grenzen der Physik.

Maranello – Einst Hersteller hochelitärer Rennsportwagen, von denen die Ingenieure nicht weniger elitäre Straßenfahrzeuge kaum bezahlbaren Werts ableiteten, ist Ferrari heute zu einer weltläufigen Marke geworden. Die gehört zwar immer noch zu den exklusivsten, bietet aber andererseits mittlerweile fahrbare Untersätze an, die preislich nicht über den Topprodukten aus Zuffenhausen rangieren. Mit 199.550 Euro ist der frisch überarbeitete Ferrari Portofino M kompetitiv eingepreist. Sein modifizierter 3,9-Liter-V8 mit so genannter Flatplane-Kurbelwelle pumpt 456 kW/620 PS in Richtung des neu entwickelten Achtgang-Doppelkupplers, der bei der Schaltgeschwindigkeit noch einen Zacken zugelegt haben soll. (Ferrari kündigt neuen Supersportwagen an – behält aber das Wichtigste für sich)

Ein Ferrari Portofino M
Der 3,9-Liter-V8 im Ferrari Portofino M leistet 456 kW/620 PS – das maximale Drehmoment liegt bei 760 Nm. © Ferrari

Ferrari Portofino M im Test: Fahren an den Grenzen der Physik – dank neuem Modus

Roter Startknopf im Lenkrad gedrückt, und der quirlige Achtzylinder erwacht akustisch eindrucksvoll. Man könnte denken, die Techniker hätten glatt auf den Otto-Partikelfilter verzichtet – aber nein, haben sie nicht. Demnach erfüllt der Hightech-Turbomotor jetzt auch die Euro 6d-Norm. Drehzahlsensoren für die Lader-Turbinen liefern einen weiteren Parameter, um das Potenzial des Verbrenners optimal zu nutzen. Denn so kommen die Entwickler näher an die Leistungsgrenze des Laders heran. Ziel ist es, dem Benziner eine Sauger-Charakteristik zu verleihen – unharmonische Leistungssprünge brächten nur Unruhe in die Fahrdynamik.

Wobei es mit der Ruhe ohnehin vorbei ist, wenn der Stürmer in den Angriffsmodus wechselt. Stimmt das Verhältnis von Lenkwinkel und Tempo nicht, bedeutet das die Erfüllung eines Spieltriebs, bei der man allerdings gekonnt mit dem Lenkrad umgehen sollte: Das Heck drängt Richtung Kurvenaußenrand. In der Regel bringt das Stabilitätsprogramm das schicke Portofino-Heck wieder auf Kurs, doch übertreiben sollte man es nicht. Wer sich in der Querdynamik sicher fühlt, dem wird der für dieses Modell neu eingeführte Race-Modus im berühmten Manettino Spaß machen. Manettino heißt bei Ferrari der Drehschalter für die Fahrmodi. Er hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. (Todkranker Ferrari-Fan: „Rollende Engel“ erfüllen letzten Herzenswunsch)

Ein Ferrari Portofino M
Im Komfort-Modus ist der Ferrari Portofino M sogar langstreckentauglich. © Ferrari

Ferrari Portofino M im Test: Das italienische Power-Cabrio ist erstaunlich langstreckentauglich

Der Race-Modus lässt den Ferrari sozusagen an der längeren Sicherheitsleine auf dem Grenzpfad der physikalischen Gesetze. Faszinierend ist jedes Mal aufs Neue, wie präzise sich der Portofino an dieser Grenze entlanghangelt. Er gibt die gelassene Präzisionsmaschine, folgt den Richtungsvorgaben mit der leichtgängigen Servolenkung derart mühelos und zackig – gefühlt keine Spur von 1,7 Tonnen. Das gilt auch für die Längsbeschleunigung: Selbst bei Viertelgas schiebt der Achtender schon mächtig gen Fahrverbotsbereich. Volle Last hingegen drückt die Passagiere fest in die Sportsessel und lässt sie dort verharren, bis der Luftwiderstand dem unbändigen Triebwerk dann doch Einhalt gebietet. Dabei sägt und kreischt der 3,9-Liter, während er flugs der 8.000-Touren-Marke entgegenprescht. (Ferrari F50 steht zur Abholung bereit – doch niemand weiß, wem er gehört)

Doch das Cabrio empfiehlt sich auch für moderate Cruising-Einlagen, ist in der Komfort-Stellung keineswegs bretthart, sondern erstaunlich geschmeidig und damit auch langstreckentauglich. Das Platzangebot für die menschliche Fracht ist besser als die Gepäckraumkapazität – aber für einen ausgiebigen Wochenend-Trip reicht es. Zeit, das elektrische Verdeck zu öffnen. Dank flacher Windschutzscheibe peitscht der Wind bei zügiger Fahrt nicht allzu heftig in den Innenraum, und falls man doch einmal friert, müssen es Nacken- und Sitzheizung richten.

Wer Ferrari bisher gemieden hat im Glauben, die Verarbeitungsqualität passe nicht zu den Fahrzeugpreisen, der sollte noch einmal einen Blick auf die Materialien werfen. Hier ist alles piekfein zusammengesetzt, die Leder-Ziernähte sind akkurat, und auch die Haptik stimmt. Solide klickende und rastende Drehregler wie Taster prägen das Bild, es gibt tatsächlich nichts auszusetzen.

Blick in den Innenraum eines Ferrari Portofino M
Der große Touchscreen in der Mittelkonsole des Ferrari Portofino M gefällt durch seine schnelle Reaktion. © Ferrari

Ferrari Portofino M im Test: Touchscreen in der Mittelkonsole besticht durch schnelle Reaktion

Dieser Ferrari sei nicht nur ein Performance-, sondern auch ein Infotainment-Profi. Nicht genug mit dem großen Touchscreen in der Mittelkonsole, der obendrein noch durch schnelle Reaktion besticht. Auch das Kombiinstrument strotzt vor Displayfläche; den großen, analogen und mechanischen Drehzahlmesser in der Mitte verkneift sich Ferrari dann aber doch nicht. Auch das Spiegeln seiner persönlichen Smartphone-Oberfläche auf das Display via Apple CarPlay oder Android Auto klappt. Beifahrer können im Falle aufkommender Langeweile auf einem kleinen Farbmonitor oberhalb des Handschuhfachs wahlweise die aktuelle Geschwindigkeit einsehen, schauen, auf welcher Straße man unterwegs ist oder den gerade eingelegten Fahrmodus checken. (Marke Ferrari verliert stark an Popularität – liegt’s am fehlenden SUV?)

Für den Alltag gibt es einige Helfer an Bord. Neben dem gestochen scharfen Kamerabild bietet der Portofino einen Querverkehr-Warner. Das Überwinden des Feierabendverkehrs mit aktivem Tempomat klappt auch ganz geschmeidig, der Sportler bremst bis zum Stillstand ab und erledigt diese Disziplin sogar ruckfrei. Damit keine Missverständnisse aufkommen – man kann diese Dinge für den Preis erwarten, aber so manche Edelmodelle haben im Laufe der letzten Jahre gezeigt, dass gerade die teuersten Fahrzeuge bei Assistenz und Infotainment scheitern. Ferrari hingegen bestreitet diese Disziplin besser als viele Autos der FCA-Division, zu der die Luxusmarke aus Maranello ja noch vor wenigen Jahren gehörte.

Technische Daten Ferrari Portofino M
Motor/Getriebe/Antrieb3,9-Liter-Achtzylinder-Benziner / Achtgang-DKG / Heckantrieb
Leistung/Drehmoment456 kW (620 PS) / 760 Nm bei 3.000 bis 5.750 U/min
Länge/Breite/Höhe4,59 / 1,94 / 1,32 Meter
Kofferraumvolumen292 Liter
Vmax/0–100 km/h3,5 s / 320 km/H
Normverbrauch10,3 l/100 km
AbgasnormEuro 6d
Basispreis199.550 Euro

Mit dem „Genuine“-Wartungsprogramm erspart Ferrari seinen Kunden sieben Jahre lang Werkstattkosten und berechnet lediglich Schmierstoffe sowie Ersatzteile im Rahmen der Inspektionen. Alleine bei der Geschäftspolitik geben sich die Italiener mitunter distanziert, so dass es Neukunden nicht leicht haben, beispielsweise an ein Topmodell zu kommen. Doch darüber müssen sich Portofino M-Interessenten keine Gedanken machen, denn beim Einsteiger dürfte jeder Kunde willkommen sein. Egal, ob Selfmade-Millionär oder Lotto-Gewinner. (Patrick Broich/SP-X)

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