BMW i4: Das neue E-Auto soll dieses Konkurrenzmodell zurückdrängen – so stehen seine Chancen
Der BMW i4 soll ab 2022 gewissermaßen das „elektrische Herz“ der Münchner Autobauer werden. Wir waren bei der Prototypen-Erprobung der Hoffnungsträger-Limousine dabei.
München – Kaum ein anderer Hersteller setzt zurzeit alles derart auf die Plug-in-Karte wie BMW. Das soll ab 2022 anders werden, denn dann wollen die Bayern mit dem Doppelpack aus BMW iX und BMW i4 insbesondere Tesla zeigen, was ein wirklich gutes Elektroauto eines deutschen Premiumherstellers ist. Die Bayern, einst Synonym für dynamische Fahrzeuge mit sechs Zylindern, Hinterradantrieb und jeder Menge Fahrspaß, wollen auch bei den Elektroautos von morgen Bestmarken setzen. Mit dem innovativen, aber wenig massentauglichen BMW i3 setzte man vor knapp zehn Jahren ein Ausrufezeichen. Mit dem BMW iX als elektrischem Bruder des BMW X5 und insbesondere dem BMW i4 wollen sich die Münchner an die Spitze der jeweiligen Segmente setzen. (Das wird das Jahr der Stromer: Diese Auto-Neuheiten rollen 2021 zum Händler)

BMW i4: Erste Eindrücke des Stromers, der dieses Konkurrenzmodell in die Schranken weisen soll
Während der BMW iX, der wegen seines Designs schon einiges an Kritik einstecken musste, als elektrischer Crossover Ende des Jahres die SUV-Kunden begeistern soll, geht der BMW i4 noch einen Schritt weiter. Er ist kein Einzelstück, kein One-off wie der iX oder ein umgebautes Modell wie der iX3, sondern ist technisch eng mit dem BMW 4er Gran Coupé verwandt. Er wird zusammen mit dem Gran Coupé im Münchner Stammwerk gefertigt und statt entsprechender Verbrenner mit einem Elektroantrieb versehen. Noch nie wurden bislang Verbrenner und Elektromodell parallel entwickelt und später parallel auf einer Linie gefertigt. Der Kopf des aufwendigen Projekts ist David Ferrufino. Der gebürtige Bolivianer ist ein Car Guy, wie er im Buche steht.
Zusammen mit seinen Fahrwerksspezialisten ist der Projektleiter an diesem düsteren Samstagmorgen im Winter auf dem Testgelände in Aschheim nahe München unterwegs. Zwei stark getarnte Prototypen sollen auf dem Hochgeschwindigkeitsoval und dem Handlingkurs einmal mehr unter die Lupe genommen werden. Zeitgleich sind andere i4-Erlkönige in den USA, Lappland und Südfrankreich unterwegs und schrubben wertvolle Testkilometer. Die Corona-Pandemie hat auch die Erprobungen schwerer als gewöhnlich gemacht.

BMW i4: Erste Eindrücke des Stromers – Abmessungen nahezu identisch mit Tesla Model 3
Der BMW i4 als technischer Zwilling des BMW 4er Gran Coupé (somit auch mit dem BMW 3er verschwägert) soll das neue Kernmodell im Hause BMW werden. Er feiert seinen Marktstart ein Quartal nach dem BMW iX im Frühjahr 2022. Zunächst wird es drei Versionen – wahlweise mit Hinterrad- und Allradantrieb – und zwei Akkupakete geben. Wird die Basisversion mit 200 kW (272 PS) allein über die Hinterachse angetrieben, dürfte der Allradler – zunächst noch ohne M-Signet am Heck – rund 350 kW (476 PS) leisten. Das Leistungsspektrum zeigt dabei verblüffende Ähnlichkeit zum Tesla Model 3 und David Ferrufino macht keinen Hehl daraus, dass das amerikanische Elektromodell im Fokus aller Entwicklungen stand. Das Tesla Model 3 hat die Elektrowelt für viele Kunden in den USA, Europa und Asien ebenso erlebbar wie begehrenswert gemacht. Kein Wunder, dass sich die internationale Konkurrenz an dem amerikanischen Vorzeigemodell orientiert. So sind die Abmessungen von Tesla Model 3 und BMW i4 nahezu identisch, die Proportionen der beiden Mittelklassefahrzeuge zumindest ähnlich. Was der BMW i4 ebenso wenig ist wie das Model 3 von Tesla ist ein echter Fünfsitzer, denn so geräumig der Bayer auch ist und mit seinem Laderaum von 470 bis 1.290 Litern jede Menge Alltagsnutzen bietet: Im Fond zu dritt sitzen will man beim BMW i4 nicht.

BMW i4: Erste Eindrücke des Stromers – Schub aus dem Stand ist gewaltig
Wo der BMW i4 dem Tesla insbesondere die Rücklichter zeigen soll, ist die Fahrdynamik. Das Entwicklungsteam unter David Ferrufino legt Wert darauf, dass der i4 nicht nur schnell geradeaus kann, sondern ein Handling bietet, das einem den Atem rauben soll. Vom Beifahrersitz kann man das nur bestätigen, denn der Schub ist aus dem Stand gewaltig. Auch im Grenzbereich zeigt das gut zwei Tonnen schwere Mittelklassemodell, was es kann. Die Testpiloten fackeln nicht lange, geben Vollgas, bremsen den i4 vor der nächsten Kurve brutal zusammen, um in Sekundenbruchteilen wieder voll zu beschleunigen – immer wieder und immer wieder. Wir sind zunächst im Basismodell mit Hinterradantrieb unterwegs. Eine Luftfeder an der Hinterachse ist bei allen Versionen Serie – elektronische Dämpfer gibt es dagegen nur auf Wunsch. Wahlweise rollt der Hoffnungsträger auf 18-, 19- oder 20-Zoll-Rädern. Für Winterreifen bieten die Bayern sogar wenig imposante 17-Zöller, die schon aufgrund der großen Karosserieflächen optisch schwierig erscheinen.
Nachdem sich die Reifen abgekühlt haben, geht es erneut mit Elan auf die Strecke. Diesmal Vollgas, abbremsen und wieder Vollgas – die beiden Prototypen tun einem fast so leid wie die Reifen, die schneller auf Temperatur kommen, als ihnen lieb ist. Dann erneut der kurvenreiche Handlingkurs, auf dem David Ferrufino nun wieder selbst ins Steuer greift. „Meine Fahrwerksentwickler können das hier noch etwas besser und schneller als ich“, sagt er. Kaum zu glauben, denn in der schnellen Kurvenkombi hat der BMW i4 vor dem Anbremsen bereits mehr als Tempo 170 drauf. Die Karosserie wankt schon aufgrund des niedrigen Schwerpunkts nicht und die Elektromotoren zeigen bei den zahlreichen Wiederholungen ebenso wenig Haltbarkeitsschwächen wie die Bremsanlagen. David Ferrufino ist sichtlich zufrieden. (Beinahe-Unfall im BMW M4: Vollbremsung bei Tempo 280 verhindert schlimmen Autobahn-Crash (mit Video))

BMW i4: Erste Eindrücke des Stromers – Cockpit vom neuen Curved-Display dominiert
Das Marterprogramm gepaart mit bayrischer Fertigungsfähigkeit soll letztlich den Unterschied zwischen dem BMW i4 und den anderen Elektrolimousinen machen, die da in den nächsten Jahren auf den Markt rollen. Mittelfristig wird sich der BMW i4 nicht nur mit Elektroautos auseinandersetzen müssen, sondern muss auch gegen Verbrenner und Plug-in-Hybride bestehen – durchaus auch aus eigenem Hause. Das dürfte nicht zuletzt im Innenraum gelingen. Auch wenn der i4 eher Vier- als Fünfsitzer ist, gibt es bekannte BMW-Bedienmodule, bequeme Sitze und das mit dem BMW iX erstmals vorgestellte Curved-Display (12,3 und 14,9 Zoll), das sich bis weit in die Mitte des Armaturenbretts zieht und neben dem Antrieb selbst ein nennenswerter Unterschied zum Plattformbruder 4er Gran Coupé ist. Stoffsitze wird man im späteren Serienmodell vergeblich suchen. Wahlweise bietet der BMW i4 Teilleder, Vollleder und Alcantara – sowie eine vegane Alternative für Tierhautverächter mit Ampere in den Adern. Vorne sind die Sitze nicht nur beheizt, sondern wie bei vielen Konkurrenten auf Wunsch auch klimatisiert zu bekommen. Die Heckklappe ist ebenso elektrisch wie die optional erhältliche Anhängerkupplung. Die Ladeuntensilien finden dabei in einem 38 Liter großen Fach unter dem Kofferraum Platz. (BMW gegen Mercedes: Autobauer duellieren sich mit ihren neuen Bediensystemen)
Wenn der BMW i4 im Frühjahr 2022 auf den Markt kommt, wird er mehr als bereit sein für das Tesla Model 3 und andere Wettbewerber wie den Polestar 2 oder neue Mitglieder aus VWs ID.-Familie. Viele werden es jedoch nicht sein, die in den nächsten zwei Jahren auf eine Elektrolimousine in der Mittelklasse setzen. Die meisten Hersteller konzentrieren sich erst einmal auf SUV und mit denen kann sich der BMW iX messen. (Von Stefan Grundhoff/press-inform)