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Blitzer-Grundsatzurteil ändert alles: So wehren Sie sich gegen Radarfallen-Fehler

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Von: Christian Schulz

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Durch ein Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichtes können Autofahrer die Messdaten von Blitzgeräten in Zukunft überprüfen. Nun können Sie gegen Radarfallen-Fehler vorgehen.

München – Auf Autofahrer, die es leid sind, durch Radarfallen-Fehler abkassiert zu werden, kommen bessere Zeiten zu. Es ist schnell passiert, vor allem an Stellen, an denen kein Mensch damit rechnet: Ein Blitz – und einige Zeit später bekommt der Halter des Fahrzeugs einen Brief. Der eindeutige Vorwurf: Der Fahrer sei zu schnell gefahren. Jetzt soll er dafür blechen – doch in der Praxis passieren natürlich auch bei Geschwindigkeitsmessungen jede Menge Fehler. Die können Sie jetzt überprüfen. (Bußgeldbescheid: Jeder zweite ist falsch – so können Sie die Strafe umgehen)

Eine Blitzsäule mit kombinierter Überwachung von Rotlicht und Geschwindigkeit
Die Rechte von Autofahrern wurden durch das Urteil deutlich gestärkt – so können Sie künftig gegen Blitzer-Fehler vorgehen. © Daniel Karmann/dpa

Blitzer: Sensationelles Grundsatzurteil – so wehren Sie sich ab sofort gegen Radarfallen-Fehler

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand: Zumindest war in der Rechtsprechung bislang sehr umstritten, ob die Behörden und die Hersteller auf Verlangen die Rohdaten der Geschwindigkeits-Messgeräte herausgeben müssen. Über die Daten können nämlich Gutachter Widersprüche erkennen. Das ist natürlich nicht im Sinne der Tempo-Sheriffs. „So war es schwierig herauszufinden, ob ein Fehler vorliegt“, erklärt Arndt Kempgens. Er ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Experte des Auto Club Europa (ACE). (JP Kraemer (142 km/h innerorts) kann es nicht lassen: „Ich fahr hier alles Vollgas!“)

Nun ändert ein bahnbrechendes Urteil alles. Die Welt der Knöllchenverteiler wackelt in ihren Grundfesten: Denn das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Autofahrer die Rohmessdaten ab sofort einsehen können (Az.: 2 BvR 1616/18). Aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe sich, dass Betroffene auch Informationen der Bußgeldbehörde prüfen dürfen, die nicht Teil der Akte sind – und zwar dann, wenn sie Messfehler vermuten. (SUV-Raser geblitzt: Dreiste Rache von Mercedes-Fahrer an der Radarfalle)

Blitzer: Was bringt das sensationelle Grundsatzurteil zu Radarfallen?

„Ein sensationelles Urteil, das die Rechte der Autofahrer stärkt“, sagt Kempgens. Nun sei es wesentlich einfacher zu überprüfen, wie die Messergebnisse zustande gekommen sind – und Widersprüche zu finden: „Das Gericht muss Einwendungen aber nur nachgehen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gibt und diese vom Autofahrer auch vorgetragen werden.“ (Polizei macht geheime Jagd auf Autofahrer – mit getarnten Ford Explorer)

Ein mobiler Blitzer in einem Anhänger steht am Fahrbahnrand einer Bundestraße.
Ein mobiler Blitzer wie dieser gab den Anlass zur erfolgreichen Klage bezüglich der Überprüfung der Rohmessdaten. © Thomas Frey/dpa

Blitzer: Wie kann man konkret die Rohmessdaten einsehen?

„Solche Daten kann man entweder elektronisch, oder direkt vor Ort einsehen“, erklärt der ACE-Experte. Die Behörden müssen die Rohdaten aber nicht automatisch herausrücken: „Autofahrer müssen die Daten einfordern. Dafür sollten sie Einspruch innerhalb der vorgesehenen Frist erheben.“ Dies sei formlos möglich. Ab dem Zeitpunkt der Briefzustellung hat man zwei Wochen Zeit. (Blitzer-Rekord 700 (!) km/h – aufgestellt von einer Frau)

Blitzer: Wer ist für die Überprüfung zuständig? Wohin müssen Sie sich wenden?

„Zuständig ist die Behörde, die den Bußgeldbescheid geschickt hat – also beispielsweise Ordnungsamt oder Zentrale Bußgeldstelle“, erläutert Jost Kärger, Verkehrsrechtler beim ADAC: „Zwar haben beschuldigte Autofahrer ein Recht auf Akteneinsicht, meist erledigt dies jedoch ein Anwalt, der den Akteninhalt auch bewerten kann“, sagt Kärger. (Drogen auf Blitzer-Foto: Dieser Mann (21) kokst tatsächlich am Steuer)

Denn im Normallfall habe nur dieser die nötige Software, um die Daten elektronisch auszulesen sowie die Erfahrung, Radarfallen-Fehler festzustellen. Außerdem könne der Fachanwalt entscheiden, ob ein Gutachten überhaupt sinnvoll sei, erklärt Kärger: „Denn es ist meist teurer als das Bußgeld.(Mercedes-AMG-Raser brennt mit 244 km/h durch Baustelle – neuer Blitzer-Rekord?)

Ein Polizist hantiert an einem mobilen Messgerät zur Geschwindigkeitskontrolle.
Gerade mobile Blitzgeräte werden oft nicht korrekt aufgestellt – entsprechend viele Bußgeldbescheide sind falsch. © Uwe Anspach/dpa

Blitzer: Was bedeutet das sensationelle Grundsatzurteil zu Radarfallen für die Praxis?

Wie die Behörden das Prozedere künftig ausgestalten und ob sie ihr Verfahren umstellen, bleibt abzuwarten. „Das Urteil und die Dreimonatsfrist dürfte die Behörden ganz schön unter Druck setzen“, vermutet ACE-Experte Kempgens. Denn zwischen Vorfall und Bußgeldbescheid dürfen nur drei Monate liegen, dann greift die Verjährungsfrist. Eine Anhörung des Halters könne die Frist um drei Monate verlängern. (VW Golf 7 GTI flüchtet mit mit 240 km/h vor Polizei – dann geschieht es)

„Wenn das Gerät ordnungsgemäß aufgebaut und geeicht wurde und die Beamten entsprechend geschult sind, darf das Gericht davon ausgehen, dass die Messung in Ordnung ist“, erklärt Kempgens: „Da es sich um ein Massenverfahren handelt, wird der Fall vor Gericht oft eingestellt, wenn man einen Einwand einlegt. Denn meist haben die Gerichte nicht die Kapazitäten diesen Einwänden nachzugehen.“ (Mit Material der dpa)

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