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Neue Anklage im VW-Dieselskandal: Hat Ex-Boss Martin Winterkorn alle belogen?

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Von: Christian Schulz

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VW-Dieselskandal ohne Ende: In der Affäre um manipulierte Abgaswerte steht eine neue Anklage ins Haus. Hat Ex-Volkswagen-Boss Martin Winterkorn bei Aussagen bewusst gelogen?

Update vom 09.06.2021, 13:42 Uhr: Nächste Wende im VW-Dieselskandal: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn neue Anklage erhoben – wegen uneidlicher Falschaussage im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre. Der heute 74-Jährige soll „bewusst falsche Angaben“ zur Frage gemacht haben, zu welchem Zeitpunkt er bereits über den Einsatz einer Software zur illegalen Manipulation der Abgaswerte unterrichtet war.

In seiner Aussage soll Martin Winterkorn fälschlich angegeben haben, erst im September 2015 über solche Abschalteinrichtungen unterrichtet worden zu sein. Der Anklage zufolge soll ihm jedoch bereits „seit Mai 2015 bekannt gewesen sein, dass die Motorsteuerungssoftware bestimmter VW-Kraftfahrzeuge mit einer Softwarefunktion zur Manipulation der Abgaswerte im Testbetrieb ausgestattet worden war“. Träfe dies zu, hätte die frühere Volkswagen-Größe erneut alle hinters Licht zu führen versucht. (Urteil zum Diesel-Skandal: Umwelthilfe unterstellt Autobossen „Körperverletzung mit Todesfolge“)

Martin Winterkorn, Ex-Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, bei seiner Vernehmung im Abgas-Untersuchungsausschuss
Vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages will der ehemalige VW-CEO Martin Winterkorn von nichts gewusst haben. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Hintergrund (weiter unten ausführlich beleuchtet): Der VW-Dieselskandal war im September des Jahres 2015 öffentlich geworden. Der Wolfsburger Autobauer räumte damals ein, bei bestimmten Dieselmotoren eine illegale Manipulations-Software verbaut zu haben – die den Ausstoß von Stickoxid nur auf dem Prüfstand senkt, nicht aber im Straßenverkehr. Der Skandal schlug hohe Wellen – Volkswagen sah sich mit enormen PR-Problemen und Schadensersatzforderungen konfrontiert. 2017 musste Martin Winterkorn im Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den betrügerischen Tricksereien aussagen. (Herbert Diess als Tesla-Boss: Wollte Elon Musk dem VW-Chef die komplette Leitung übergeben?)

Winterkorn, Ex-Audi-Boss Rupert Stadler sowie 15 weitere frühere oder aktuelle Top-Manager des Volkswagen-Konzerns wurden in der Affäre um manipulierte Abgaswerte bereits angeklagt oder stehen vor Gericht. Die neue Anklage gegen Winterkorn wurde am Landgericht Berlin erhoben. Darüber hinaus wurde bekannt, dass der frühere VW-Konzernchef und drei ehemalige Führungskräfte wegen der durch den Dieselskandal entstandenen Schäden Rekord-Entschädigungen an Volkswagen zahlen. Laut der abschließenden Einigung wurde eine Gesamtsumme von 288 Millionen Euro vereinbart, heißt es aus dem Unternehmen. Der Großteil der Summe wird voraussichtlich von der Manager-Haftpflichtversicherung getragen, der Ex-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn persönlich soll 11,2 Millionen Euro an seinen vormaligen Arbeitgeber überweisen. (Voltswagen-Aprilscherz: US-Börsenaufsicht prüft misslungenen PR-Gag von VW) (Mit Material von dpa und AFP)

Nachspiel im VW-Diesel-Skandal: Martin Winterkorn könnte bis zu 11 Millionen Euro zahlen

Update vom 01.06.2021, 08:45 Uhr: Der ehemalige Volkswagen-Boss Martin Winterkorn will sich offenbar mit seinem früheren Arbeitgeber außergerichtlich einigen. Wie das Online-Magazin „Business Insider“ berichtet, könnte er im Rahmen eines Vergleichs 11 Millionen Euro an VW bezahlen. Eine deutlich größere Summe, nämlich 200 bis 300 Millionen Euro, überweist angeblich seine Managerhaftpflicht-Versicherung (Fachausdruck: D&O-Versicherung = Directors-and-Officers-Versicherung) an den Konzern. Ähnliche Übereinkünfte könnte es auch mit anderen ehemaligen hochrangigen Mitarbeitern geben. (EU-Gerichtshof tadelt Regierung: Autos sollen noch weniger Schadstoffe ausstoßen)

Volkswagen wirft seinem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und weiteren Top-Managern wie Ex-Audi-Chef Rupert Stadler vor, in der Abgas-Affäre ihre Sorgfaltspflichten verletzt zu haben, und verlangt deshalb Schadensersatz. Mit der Einigung erspart Winterkorn Europas größtem Autokonzern und sich selbst eine jahrelange zivilrechtliche Auseinandersetzung. Ursprünglich stand eine Forderung in Höhe von einer Milliarde Euro im Raum, die jetzt kolportierte Summe dürfte Winterkorn problemlos begleichen – sein Vermögen wird auf ca. 100 Millionen Euro geschätzt. Allein seine Rente soll über eine Million Euro jährlich betragen. Auf das strafrechtliche Verfahren am Landgericht Braunschweig hat die Einmalzahlung allerdings keinen Einfluss. (Greenpeace-Aktivisten geben geklaute VW-Autoschlüssel an skurrilem Ort wieder zurück)

Der ehemalige Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler (links) und der Ex-VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn (rechts) (Symbolbild)
Die ehemaligen Volkswagen-Größen Rupert Stadler (l.) und Martin Winterkorn (r.) stecken in der Klemme: VW will Schadenersatz. (Symbolbild) © Julian Stratenschulte/dpa

VW-Diesel-Skandal: Nach Martin Winterkorn und Rupert Stadler weitere 15 Top-Manager angeklagt

Update vom 24.04.2021, 12:29 Uhr: Ermittler in der Dieselaffäre bei Volkswagen haben erneut mehr als 1500 Seiten mit Vorwürfen an das Landgericht Braunschweig geschickt. Angeschuldigt sind 15 weitere Führungskräfte des VW-Konzerns und eines Zulieferbetriebes, wie Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe der Deutschen Presse-Agentur in Braunschweig sagte. Ihnen wird Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Steuerhinterziehung, Beihilfe zu mittelbarer Falschbeurkundung und strafbare Werbung vorgeworfen. Namen nannte die Staatsanwaltschaft nicht. (VW-Chef Herbert Diess erteilt diesem alternativen Antrieb eine knallharte Absage)

Damit sind nun 34 Personen in den Untersuchungen wegen überhöhten Ausstoßes von Stickoxid (NOx) angeschuldigt. Nach Überzeugung der Ermittler war die Führungsriege maßgeblich dafür verantwortlich, dass Behörden und Kunden in Europa und den USA mit Hilfe einer unzulässigen Software in Dieselfahrzeugen getäuscht wurden. Die mittlerweile vierte Anklageschrift umfasst 1554 Seiten. Über die Zulassung der Anklage muss auch in diesem Fall das Landgericht Braunschweig entscheiden. Ein Gerichtssprecher bestätigte den Eingang der Akten. Im Fall von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und vier anderen Managern hat das Gericht die Anklage unter anderem wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs bereits zugelassen. (E-Auto-Insel Astypalea von VW: Es gibt sogar ein vollelektrisches Polizeiauto)

Nachspiel im VW-Diesel-Skandal: Volkswagen fordert Schadenersatz von Winterkorn und Stadler

Erstmeldung vom 26.03.2021, 16:18 Uhr: Wolfsburg – Auch mehr als fünf Jahre nach ihrem Beginn liegt die „Dieselgate“-Affäre um per VW-Software illegal manipulierte Abgaswerte noch immer wie Blei auf dem stark angekratzten Image des Volkswagen-Konzerns. Nicht nur dieses wieder aufzupolieren, ist Ziel des größten europäischen Automobil-Imperiums – sondern auch unter die interne Aufarbeitung wollen die jetzigen VW-Granden nur zu gerne einen Schlussstrich ziehen. Für die in den Diesel-Skandal maßgeblich verwickelten Ex-Top-Manager Martin Winterkorn und Rupert Stadler bedeutet dies weitere unangenehmen Folgen: Denn jetzt verlangt VW auch Schadenersatz!

Mit diesem Beschluss des Wolfsburger Konzern-Aufsichtsrats enden jahrelange Untersuchungen, die neben der Aufarbeitung der Abgasaffäre vor vielen Straf- und Zivilgerichten auch intern vorangetrieben wurden. Welche konkreten Summen von Martin Winterkorn (74), dem Vorgänger von Herbert Diess (62) als Vorstandsvorsitzendem der Volkswagen AG, und Rupert Stadler (58), dem ehemaligen Audi-Boss, verlangt werden, steht bisher noch nicht fest – es dürfte sich aber um enorme Beträge handeln. (Dieselprozess: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler belastet eigene Motor-Entwickler schwer)

Rupert Stadler, Ex-Vorstandsvorsitzender der Audi AG, im Sitzungssaal des Münchner Landgerichts.
Ex-Audi-Boss Rupert Stadler (r.) auf der Anklagebank des Münchner Landegerichts: Ihm wird Betrug an Autokäufern vorgeworfen. © Peter Kneffel/dpa

Der Entscheidung der VW-Kontrolleure über die Schadenersatz-Forderungen waren mehrtägige Beratungen mit der Kanzlei Gleiss Lutz vorausgegangen, die der Aufsichtsrat mit dem heiklen Fall beauftragt hatte. Die Juristen sichteten 65 Millionen Gigabyte an Daten sowie mehr als 480 Millionen Dokumente, von denen sie rund 1,6 Millionen als relevant einstuften. Darüber hinaus führten die Anwälte über 1550 Interviews und Vernehmungen. VW spricht vollmundig von der „umfangreichsten und aufwendigsten Untersuchung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“. Das Ergebnis der gigantischen Aktion: Martin Winterkorn und Rupert Stadler sollen wegen Verletzungen der aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht in Regress genommen werden – und immensen Schadenersatz zahlen. Das Ausmaß der Forderungen lässt Volkswagen noch offen: „Entsprechende Gespräche laufen“, heißt es dazu aus der Konzern-Spitze. (Prozess gegen Ex-VW-Chef Winterkorn: „Da scheppert nix“ – das legendäre Video)

Bei weiteren VW-Vorständen seien zwar keine vergleichbar extremen Verstöße festgestellt worden – trotzdem sollen bei den Töchtern Audi und Porsche auch die Ex-Manager Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz zivilrechtlich belangt werden. Beim früheren Volkswagen-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer seien dahingehende Forderung bereits geltend gemacht worden.

Nachspiel im VW-Diesel-Skandal: Martin Winterkorn beteuert Unschuld – Rupert Stadler schweigt

Ex-VW-Boss Martin Winterkorn beteuerte umgehend, er habe sich vor dem Bekanntwerden der Dieselaffäre jederzeit korrekt verhalten. Über seine Anwälte lässt er mitteilen, „alles Erforderliche getan und nichts unterlassen zu haben, was dazu geführt hätte, den entstandenen Schaden zu vermeiden oder geringer zu halten“. Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler wollte sich zu Volkswagens Schadenersatzforderung nicht äußern. (Audi-Prozess: Angeklagter Motorenentwickler – „Wir waren die Schmutzigen“)

Der „Dieselgate“ genannte Mega-Skandal um die dreisten Abgas-Manipulationen des VW-Konzerns war im Herbst des Jahres 2015 ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Der Affäre rund um den Schadstoff-Ausstoß stürzte VW in die tiefste Krise seiner Geschichte – und führte trotz aller folgenden Beteuerungen in Sachen Emissionsschutz, Elektromobilität und flacherer Hierarchien zu einem generellen Verlust des Vertrauens in weite Teile der Autoindustrie. Was für ein Bärendienst für die gleichzeitig zur Transformation gezwungene Branche. (EuGH-Urteil im Diesel-Skandal: Abgas-Software ist illegal – droht jetzt riesige Rückrufwelle?)

Bei expliziten Pflichtverletzungen von Führungskräften in der Wirtschaft können eigens für diesen Fall abgeschlossene Manager-Haftpflichtversicherungen einspringen. Ob die Deckungssummen im vorliegenden Fall ausreichen, ist jedoch völlig unklar. Bisher hat der Konzern weit über 30 Milliarden Euro an Rechtskosten in die Bewältigung der Abgaskrise investiert - möglicherweise müssen die ehemaligen Manager also auch mit Teilen ihres Privatvermögens haften. (Dieselskandal: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler kommt demonstrativ in Mercedes S-Klasse zum Gericht)

Nachspiel im VW-Diesel-Skandal: Prozesse wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs

Der zentrale Befund laut VW: Martin Winterkorn soll es in der Zeit nach einer Krisenkonferenz am 27. Juli 2015 unterlassen haben, „die Hintergründe des Einsatzes unzulässiger Softwarefunktionen in 2,0-Liter-TDI-Dieselmotoren, die in den Jahren 2009 bis 2015 im nordamerikanischen Markt vertrieben wurden, unverzüglich und umfassend aufzuklären“. Er habe überdies nicht dafür gesorgt, „dass in diesem Zusammenhang gestellte Fragen der US-amerikanischen Behörden umgehend wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden“. (Steht das Verbrenner-Verbot vor der Tür? Mehrheit der Deutschen lehnt Grünen-Forderung ab)

Der Vorwurf gegen Ex-Vorstandsmitglied Rupert Stadler bezieht sich auf dessen Umgang mit von Audi entwickelten Dieselmotoren, die in der EU auch in Autos der Marken VW und Porsche eingebaut waren: Stadler habe es von Ende September 2016 an versäumt, dass die Motoren „im Hinblick auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht werden“. (Bund fährt viel zu wenige E-Autos: Andreas Scheuers Verkehrsministerium liegt weit hinten)

Martin Winterkorn musste vor gut fünfeinhalb Jahren zurücktreten, nachdem der „Dieselgate“-Skandal in den USA ans Licht gekommen war. Nach seiner eigenen Darstellung erfuhr er von den Manipulationen erst kurz vor deren öffentlichem Bekanntwerden. Vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages sagte er im Jahr 2017: „Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt worden bin.“ Von Mitte September an wird er wegen der Abgasaffäre auch vor Gericht stehen. Dann beginnt in Braunschweig ein Prozess gegen ihn und vier weitere, teils ehemalige Führungskräfte wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs. Rupert Stadler steht wegen möglicher Mitverantwortung bei Abgastäuschungen vor dem Münchner Landgericht. (Mit Material der dpa)

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