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Teure Reparaturen: Versicherer wünschen sich mehr Gebraucht-Ersatzteile

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Von: Sebastian Oppenheimer

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Ersatzteile werden immer teurer – die Versicherer fordern deshalb, dass öfter mit Gebraucht-Teilen repariert wird. Das würde auch der Umwelt helfen.

Er läuft und läuft und manchmal rumpelt’s auch: Leichte Parkrempler werden den Fahrer eines VW Käfer allerdings nicht so recht schrecken. Eine neue Stoßstange gibt’s für 80 Euro, hat es das Scheinwerferglas erwischt, ist schon für 20 Euro Ersatz zu haben. Auch Oldtimer-Freunde mit Bastel-Allergie können die Gebraucht-Teile zudem recht einfach montieren. Da lohnt es nicht, einen Versicherungsfall aus der Unaufmerksamkeit zu machen.

Bei aktuellen Autos gehen vergleichbare Rempler allerdings inzwischen in die Tausender, sagt Frank Sommerfeld. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz Versicherungs-AG fordert auf dem Auto-Tag des Unternehmens darum nachhaltiges Reparieren. Denn die Kosten für Reparaturen sind inzwischen für die Versicherer und ihre Kunden explodiert. Pkw-Ersatzteile verteuern sich sogar deutlich schneller als die Inflationsrate. Nach aktuellen Zahlen des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) erhöhten Autohersteller ihre Ersatzteilpreise in den vergangenen zehn Jahren um fast 44 Prozent – dreimal stärker als die allgemeine Teuerung.

Teure Reparaturen: Versicherer wünschen sich mehr Gebraucht-Ersatzteile

Das liegt vor allem an vier Faktoren: der Komplexität der Teile, dem Quasi-Monopol der Autohersteller auf den Ersatz, der Bürokratie und einem mangelnden Kostenbewusstsein der Versicherten. Eine Stoßstange etwa war beim Käfer eben noch genau das: eine bessere Blechstange. Heute stecken an der Stelle hinter lackiertem Kunststoff Parkpiepser, das große Teil ist bündig in die Karosserie integriert, entsprechend aufwendig und teuer wird die Reparatur. Erst kürzlich verkündeten die Versicherer, dass beispielsweise ein Wildunfall im Schnitt mit mehr als 3.300 Euro zu Buche schlage.

Zudem sind viele Ersatzteile gar nicht mehr einzeln auszutauschen. In Deutschland lässt der Gesetzgeber etwa die Instandsetzung der Scheinwerferverglasung nicht zu. Gibt es einen Kratzer oder Vergilbung im Scheinwerfer, muss das ganze Teil getauscht werden. Nach einer Studie der Allianz könnte beim Reparieren nur des Glases bei einem VW ID.3 bis zu knapp 1.000 Euro gespart werden. Gegenüber dem Einbau eines Neuteils werden zudem 98 Prozent der CO₂-Emissionen eingespart. Entsprechend verärgert ist Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des Allianz-Zentrums für Technik, denn auch über den trägen Gesetzgeber: „Dies ist insofern nicht verständlich, da dieses Verfahren in anderen europäischen Ländern zulässig ist und zudem von einer Reihe von Fahrzeugherstellern freigegeben ist.“

Autounfall, zwei Personen diskutieren
Reparaturen werden immer teurer – Versicherer wünschen sich deshalb vermehrt den Einsatz von Gebraucht-Teilen. (Symbolbild) © Shotshop/Imago

Teure Ersatzteile: Mit „grünen Reparaturen“ lässt sich viel Geld und CO₂ einsparen

Meist sind die Fahrzeughersteller allerdings selbst auch nicht gerade die Speerspitze im Kampf gegen hohe Ersatzteil-Preise – obwohl der Hebel zur Kostenreduzierung gewaltig ist. Bei den meisten Fahrzeugaußenteilen beispielsweise sind grüne Reparaturen grundsätzlich möglich, so Lauterwasser. Bei der Windschutzscheibe eines ID.3 können etwa im Vergleich zum Ersatz 99 Prozent der CO2-Emissionen und bis zu 1.200 Euro gespart werden, bei der Seitenwand eines Ford Fiesta reduzieren sich die Kosten um circa 1.700 Euro, der Verbrauch von Kohlendioxid verringert sich um 60 Prozent. „Würde man in Deutschland die Reparaturquote nur um zwei Prozentpunkte erhöhen, ließen sich rund 5.000 Tonnen CO2 einsparen“, so Lauterwasser. Das ist so viel, wie 860 Haushalte in einem ganzen Jahr an Energie verbrauchen.

Teure Reparaturen: In anderen Ländern Verwendung von Gebrauchtteilen laut Experten längst etabliert

„Aber noch werden diese Teile zu häufig durch Neuteile ersetzt“, sagt der Experte. Denn Hersteller und Autohaus wollen lieber hohe Umsätze und Gewinne retten, und Kunden kennen oft die Alternative grünes Reparieren gar nicht. 89 Prozent der Verbraucher und Verbraucherinnen würden zwar laut einer repräsentativen Umfrage des Versicherers eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatz- anstelle von Neuteilen akzeptieren. Sie erfahren bloß offenbar oft nicht, dass die Möglichkeit besteht. In Frankreich und in Großbritannien sei das Verwenden von Gebrauchtteilen dagegen bereits etabliert, so Lauterwasser. „In Deutschland haben wir aus unserer Sicht noch Nachholbedarf. Wir brauchen einen funktionierenden Markt für Gebrauchtteile für ein nachhaltiges, grünes Schadenmanagement, gerade angesichts der aktuellen Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen.“

Teure Reparaturen: Hersteller haben quasi Monopol auf sichtbare Karosserie-Ersatzteile

Ein frommer Wunsch. Denn der Designschutz sichert Autoherstellern ein Monopol auf sichtbare Karosserie-Ersatzteile. „Autofahrer und Werkstätten können viele Ersatzteile nur vom Hersteller des Autos kaufen, es gibt auf diesem Markt keinen freien und fairen Wettbewerb“, sagt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach. Bei neuen Modellen ist dieses Monopol zwar inzwischen etwas gelockert, doch die bestehenden Rechte der Autohersteller gelten im Prinzip noch bis ins Jahr 2045. Da heißt es also Verhandeln für die Versicherer, damit die Hersteller wenigstens mehr grüne Reparaturen ermöglichen sowie Menge und Umfang der Gebrauchtteile erhöhen. Auch in anderen Ländern sind die Preise für Ersatzteile teils exorbitant: US-Medien berichteten kürzlich von Preisen von mehr als 6.000 Euro für zwei Ersatz-Rückleuchten für einen GMC Hummer EV.

Teure Reparaturen: Versicherungen bieten noch keinen Bonus für „grüne Reparaturen“

Zumindest will Allianz-Manager Sommerfeld jetzt die Kunden stärker zum Sparen animieren: „Wir haben deshalb den Nachhaltigkeitsaspekt im Schadenfall in unsere Allgemeinen Kundenbedingungen neu aufgenommen.“ Wenn es gekracht hat, wird die Kundschaft nun auf Wunsch darüber informiert, ob die Beschädigung am Fahrzeug für eine nachhaltige Reparatur geeignet ist oder nicht.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.

Einen Bonus für das grüne und kostensparende Reparieren gibt der Versicherer aber vorerst nicht. Da muss der Kunde darauf hoffen, dass irgendwann mal die Gesamtsumme der Reparaturen für Versicherer wieder sinkt, wenn nachhaltiges Ausbeulen und Ähnliches zur Massenbewegung werden. „Dann geben wir solche Ersparnisse auch über den Preis der Police wieder an die Kunden weiter”, verspricht Sommerfeld. Bis dahin dürfte die Kundschaft am nachhaltigsten sparen, wenn sie einfach keinen Unfall baut. (Peter Weißenberg/SP-X)

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