Mercedes verkauft ersten echten Autopilot – Tesla abgehängt
Mercedes schafft, was Tesla bislang nur verspricht: In der S-Klasse und dem elektrischen EQS kann nun ein echter Autopilot als Extra geordert werden. Das kostet er.
Update vom 6. Mai 2022, 10:00 Uhr: Lange hat es gedauert, ab 17. Mai kann er beim Kauf einer großen Limousine tatsächlich bestellt und nach Auslieferung (die allerdings etwas dauern kann) auch benutzt werden: Ein Autopilot, der autonomes Fahren nach Level 3 nicht nur ermöglicht, sondern rechtlich auch gestattet.
Wer in der Mercedes S-Klasse für 5.950 Euro oder im vollelektrischen EQS für 8.842 Euro die Option „Drive Pilot“ mitbestellt und auf der Autobahn aktiviert, darf sich erstmals tatsächlich dauerhaft die Hände vom Lenkrad nehmen, und sich anderen Dingen wie Lesen oder am Smartphone daddeln widmen. Wenn auch vorerst nur bis 60 km/h: Daher vermarktet Mercedes-Benz die Technologie auch eher vorsichtig als Stau-Pilot, und vermeidet das Wort „Autopilot“ – im Gegensatz zum Konkurrenten Tesla, bei dessen System der Fahrer aber noch immer wachsam bleiben muss.
Mercedes verkauft ersten echten Autopilot – Tesla abgehängt
Erstmeldung vom 10. Dezember 2021, 16:43 Uhr: Stuttgart – Markus Schäfer ist keiner, der zu großartigen Gefühlsausbrüchen neigt. Doch als der Mercedes-Technikvorstand den Satz „uns ist die Mondlandung geglückt“ spricht, ist ihm der Stolz deutlich anzumerken. Die Freude ist verständlich, denn Schäfer verkündet im gleichen Atemzug, dass Mercedes auf den deutschen Autobahnen den „Drive Pilot“ nutzen und somit bis 60 km/h das automatisierte Fahren Level 3 möglich ist. Damit ist Mercedes der erste Automobilhersteller, der diese Funktion in seine Fahrzeuge einbauen und für deren Fahrer freischalten darf.
Audi hatte ein ähnliches System schon vor ein paar Jahren im A8 vorgestellt, scheiterte aber an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Auch die Umsetzung der ambitionierten Pläne von BMW lässt noch auf sich warten. Und Tesla ist zwar Ankündigungs-Weltmeister, doch die Fähigkeiten seines „Autopilot“ bleibt hinter dem des Mercedes-Systems zurück. (Tesla veröffentlicht Update – zieht es aber gleich wieder zurück)
Mercedes S-Klasse mit erstem echten Autopilot – Tesla abgehängt
Jedenfalls ist die zuständige Behörde von der Zuverlässigkeit des Daimler-Systems überzeugt. „Das Kraftfahrt-Bundesamt hat am 2. Dezember 2021 die weltweit erste Typgenehmigung im Bereich des automatisierten Fahrens für ein automatisches Spurhaltesystem (Automated Lane Keeping System – ALKS) für ein Modell des Herstellers Mercedes-Benz erteilt“, teilt des KBA mit. Damit ist ein wesentlicher Schritt hin zum autonomen Fahren gemacht, denn der Übergang von Level 2 plus, das viele Autos derzeit beherrschen, zu Level 3 ist gigantisch. Schließlich übergibt der Fahrer der Technik die Verantwortung, was einen ganzen Schwanz an Konsequenzen nach sich zieht. Vor allem die Haftung: Wenn das Fahrzeug autonom unterwegs ist und einen Unfall baut, haftet der Hersteller, nicht der Fahrer.
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Den Anfang macht Mitte des Jahres die S-Klasse, in der auch schon eine Testfahrt mit dem neuen System möglich war. Zwei, drei Monate später ist dann das Elektro-Flaggschiff EQS dran. Wie hoch der Aufpreis sein wird, kann Markus Schäfer noch nicht sagen, er soll aber im üblichen Rahmen für Assistenzsysteme bleiben. Entsprechend rechnet der Vorstand mit einer hohen Nachfrage. (Tesla führt Zwei-Klassen-System ein: Nur diese Kunden dürfen „Autopilot“ nutzen)
Mercedes S-Klasse mit erstem echten Autopilot – Augen des Fahrers müssen sichtbar sein
Der Weg zu diesem Auto-Piloten war steinig. Damit das System funktioniert, mussten gemeinsam mit den Zulieferern ein neuer Lidar-Sensor und neue leistungsfähige Kameras entwickelt werden. Die Software haben die Mercedes-Ingenieure selbst geschrieben. Sicherheit steht bei Mercedes ganz oben. Autonom im Zickzack fahrende S-Klassen wären für das Image der deutschen Premiummarke alles andere als zuträglich
Dazu kommen noch die etliche Erprobungskilometer, um das System standfest zu bekommen. Anders als Tesla-Chef Elon Musk, der nur Kameras setzt, nutzen die Mercedes-Ingenieure ein ganzes Bündel von Sensoren, Kameras und Radareinheiten. „Wichtig ist die Redundanz“, erklärt Markus Schäfer: Mindestens zwei Systeme müssen immer funktionsfähig sein und den Verkehr überwachen. Ist das nicht der Fall, muss der Fahrer wieder das Kommando übernehmen. Einschlafen oder Zeitung lesen sind für den übrigens tabu, weil dann seine Augen nicht für die Innenraum-Kamera sichtbar sind. Um bei einem Crash die Schuldfrage und somit die Haftung zu klären, wird auch jedes Fahrmanöver aufgezeichnet, dazu muss das System ständig auf dem neuesten Stand sein. (Fahrerlose Autos in München und Berlin: Bald sind wir Robotaxi-Vorreiter)

Mercedes S-Klasse mit erstem echten Autopilot – bald sollen 130 km/h möglich sein
Mittlerweile arbeitet Mercedes schon an den nächsten Ausbaustufen des Drive Pilot. Auf dem Plan stehen Geschwindigkeiten bis zu 130 km/h und automatisierte Spurwechsel. „Luxus ist auch die Zeit, die der Fahrer hat“, glaubt Markus Schäfer. Die Funktionsvielfalt hat auch noch weitere Auswirkungen: Bei der S-Klasse hat das System mittlerweile Zugriff auf rund 50 Steuergeräte – so lassen sich auch Abo-Geschäfte realisieren, um neue Elemente freizuschalten. (Audi verärgert Kunden mit teurem Abo: So viel kostet das Navi im Monat)
Mercedes S-Klasse mit erstem echten Autopilot – Infotainment wächst mit
Aktuell tüfteln die Ingenieure auch schon an der nächsten Generation des Infotainmentsystems. Die Mercedes-Benz Group will dabei die Geschicke in der eigenen Hand behalten. Deswegen definiert Mercedes die Hardware inklusive der Computer-Chips. Dass die Software auch aus Sindelfingen und Umgebung kommen wird, ist ohnehin klar. Mit der neuen Kommandozentrale dürften dann auch die nächsten Schritte beim autonomen Fahren einhergehen. Bei Tempo 130 Filme gucken: Was Tesla-Fahrer heute schon illegal und mit hohem Risiko tun, ist dann bei Mercedes sicher und offiziell möglich. (Wolfgang Gomoll/press-inform)