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Tesla-Konkurrent Polestar: Infotainment wie am Handy – das hat seinen Grund

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Von: Jan Schmidt

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Einst war Polestar nicht mehr als der weitgehend unbekannte Tuner der eher wenig sportlichen Volvo-Modelle. Seit 2017 ist das anders: Polestar wurde zur hauseigenen Elektromarke. Doch wie konkurrenzfähig sind die Autos?

Göteborg – Die internationale Konkurrenz müht sich nach Leibeskräften, dem Elektropionier Tesla in Sachen Akkutechnik, flache Hierarchien und effiziente Fertigung nachzueifern. Denn der gefeierte Elon Musk (49) und seine Automarke Tesla scheinen zwar nicht der Autoindustrie, zumindest aber bei den Elektrofahrzeugen meilenweit enteilt. (Tesla auf Überholspur, Audi zerknirscht: „Sicher zwei Jahre ...“) So nahezu geräuschlos das auf der Straße geschieht, so lautstark drücken Tesla und sein CEO Elon Musk abseits der Fahrbahn aufs Ladetempo. Das soll sich in den nächsten drei Jahren ändern und hier wollen nicht allein Volkswagen, BMW, Audi, Jaguar und Mercedes aktuelle wie kommende Tesla-Modelle ins Fadenkreuz nehmen. Neben den durch die Corona-Krise mächtig gebeutelten Elektro-Start-ups wie Byton, Nio, Faraday Future und Co. gilt Polestar als einer der aussichtsreichsten Kandidaten. (Polestar 2: Schick, schnell und gut zu bedienen – doch dieses Extra fehlt leider)

Polestar kann die Erfahrungswerte des Premiumherstellers Volvo nutzen

Stimmten bisher bereits Design, Positionierung und Struktur, so kann man nach der Fingerübung des hybriden Polestar 1, einst als Volvo C70 PHEV geplant, mit dem rein elektrischen Polestar 2 feststellen, dass der Volvo-Ableger gute Vorzeichen hat. Dafür sorgt weniger die solide Arbeit von Volvo-Chefdesigner und Polestar-CEO Thomas Ingenlath, sondern die Erfahrung, die Volvo und damit auch Polestar vom Kundengeschäft mit Premiumfahrzeugen haben. Dazu kommt die weltweite Entwicklungskompetenz und nicht zuletzt Finanzkraft des Geely Konzerns, der hinter Volvo und somit auch der elektrischen Submarke Polestar steht. Der Polestar 2 ist dabei ein ebenso ansehnliches wie erfreuliches Elektro-Erstlingswerk. (Garantien auf E-Auto-Akkus: Nach 160.000 Kilometern ist nicht Schluss)

Fahraufnahme eines Polestar 1 von schräg vorn
Der Polestar 1 war eigentlich als Volvo C70 PHEV vorgesehen. © Hersteller

Marken-CEO Thomas Ingenlath ist einer der wenigen Executives eines Autounternehmens, der das eigene Modell nicht allein gegen die Elektrokonkurrenz positioniert. „Wir starten in einem Segment mit dem Tesla Model 3, aber auch BMW 3er, Audi A4 und Mercedes C-Klasse“, so Ingenlath. Und gerade den deutschen Verbrennerlimousinen dürfte ein Fahrzeug wie der Polestar 2 mit seinem guten Platzangebot, konkurrenzfähigen Fahrleistungen und großen Alltagsnutzen auf dem ein oder anderen Markt Paroli bieten können. Zwar patzt die Nummer zwei aus dem Hause Polestar mit einem allzu harten Sportfahrwerk, das sich allein auf der Hebebühne manuell justieren lässt und Detailschwächen wie einem fehlenden Head-up-Display oder dem Verzicht auf eine Panoramadach-Verschattung, doch der Polestar 2 ist frisch, sportlich und absolut konkurrenzfähig. (Head-up-Displays: Nur ein System kann wirklich überzeugen)

Standaufnahme eines Polestar 2 von schräg vorn
Mit einer Antriebsleistung von 408 PS ist der Polestar 2 ein Konkurrent des Tesla Model 3. © Hersteller

Polestar: Vertrieb läuft weitgehend über das Internet

Die Erwartungen an China sowie die Märkte in den USA und Europa einschließlich Deutschland sind riesig. Und durch die skandinavischen Gene dürften auch die kleineren Märkte in Norwegen, Schweden und Dänemark gerade in den ersten beiden Jahren eine Rolle beim internationalen Absatz spielen. Auch weil die europäische Premiumkonkurrenz derzeit kaum elektrische Gegner hat. Mercedes, Audi, Jaguar und BMW setzen in erster Linie auf die besonders beliebten SUV oder Plug-in-Hybriden. BMW bringt den elektrischen i4 als Elektrobruder des 4er Gran Coupé im Herbst 2021. Noch später kommen elektrische Mittelklassemodelle von Audi, VW und Mercedes. (BMW im Wandel: So elektrisierend sieht die Zukunft der Münchner aus)

In Sachen Vertrieb geht Polestar einen ähnlichen Weg wie Tesla und nahezu alle Newcomer im Autogeschäft. Mit einem langwierig und aufwendig aufzubauenden Händlernetz will man es gar nicht erst versuchen. Das spart Mitarbeiter, Investitionen und Provisionen. Geschmack sollen sich die potenziellen Polestar-Kunden online sowie in Image-Stores holen, die in großen Städten aufgebaut werden. Bei Service, Wartung und Instandsetzung nutzt man hingegen das bestehende Händlernetz von Volvo. (Tesla trotzt Krise: Bald einer von nur noch 10 Autoherstellern auf der Welt?)

Polestar 2: Googles Android-Betriebssystem für das Infotainment

Dabei ist der 4,61 Meter lange Polestar 2 mehr als ein 408 PS starkes Tablet, das anders als die aktuellen Volvo-Modelle problemlos über 180 km/h rennen darf (Polestar 2: 205 km/h) und mit seinen beiden angetriebenen Achsen Wintertauglichkeit und eine mögliche Reichweite von über 450 Kilometern offeriert. Das Model 3 von Tesla ist schneller und bietet mehr Reichweite, weil es gerade im Realbetrieb durch seine Zellzusammensetzung einen geringeren Verbrauch als der knapp 58.000 Euro teure Polestar 2 bietet. Das 78-kWh-Akkupaket im Unterboden des fast 2,2 Tonnen schweren Viertürers bietet einen Normverbrauch von 19,8 kWh – liest sich auf dem Papier recht wenig, in der Realität ist Tesla hier nach wie vor mindestens eineinhalb Schritte voraus. Das gilt jedoch nicht für Bedienung, Ergonomie und speziell die Verarbeitung, denn hier bietet der Zweier Volvo-Niveau und das neue Betriebssystem von Google. Damit ist der Polestar der erste Autohersteller, der das komplette Android Automotive zukauft und ins Auto bringt (nicht zu verwechseln mit Android Auto). (Tesla Model Y: Ist das SUV schneller als ein Taycan?)

Cockpit-Aufnahme eines Polestar 2
Das Cockpit des Polestar 2 wird von einem großen Zentral-Display dominiert. © Hersteller

Damit ist nicht nur die dortige Technik weitgehend identisch mit der eines Android-Smartphones, sondern das Hochkantdisplay in der Mitte der schlichten Armaturentafel sieht auch aus wie bei der neuesten Samsung-Generation. Die Bedienung selbst ist dabei einfach und übersichtlich. So lassen sich Kosten sparen und Komplexität reduzieren, indem man mit einem IT-Giganten wie Google zusammenzuarbeitet, die aus einem schier unendlichen Datenpool schöpfen können. So sind das allgegenwärtig gewordene Smartphone als täglicher Begleiter für alle Situationen und das eigene Fahrzeug bestmöglich miteinander verwoben. Derweil wird bei BMW, Daimler oder im Volkswagen Konzern milliardenschwer im eigenen Hause entwickelt. Wer das Rennen macht, wird sich nicht nur dabei zeigen. Polestar scheint jedoch sicher mit im Rennen zu sein. (Von Stefan Grundhoff/press-inform)

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