Ora Funky Cat: Muss Konkurrenz vor dem Elektroauto aus China zittern?
Sieht nicht nur flippig aus. Fährt sich auch so. Ora Funky Cat heißt das neue E-Auto aus China. Gut genug für den deutschen Markt?
Das Aussehen: vorne Porsche Panamera, hinten Plattnase. Und Kotflügel hat er an der Front – fast so schön geschwungen wie die eines BMW-Barockengels oder zumindest eines VW-Käfers. Die, oder der, oder das Ora Funky Cat erinnert in gewisser Art und Weise an einen Paradiesvogel. Bayern und Bayern-Urlauber kennen derartige Wesen auch unter dem Gattungsnamen Wolpertinger. Das Ora-Kätzchen mag zwar eigenwillig gezeichnet sein, trotzdem sieht das Auto gefällig aus. Freundlich allemal, knuddelig-knuffig und so gar nicht wie ein Kompaktwagen im B-Segment, wo der Chinese gegen so illustre Konkurrenz wie VW ID.3, Cupra Born, Renault Megane Electric trifft.

Ora Funky Cat: Deshalb sind die Chinesen so gut
Konkurrenzfähig, die Chinesen? Ernsthafte Gegner der europäischen Auto-Elite? Schaut ganz danach aus: Knapp 300 Kilometer Erstkontakt mit dem Kätzchen auf vier Rädern haben uns davon überzeugt. Fast restlos. Warum auch nicht? Das hat drei Gründe: Erstens: Jahrzehntelang war China die Werkbank Deutschlands, aus dem Lehrling wird ein Meister. Zweitens: Der Elektroantrieb ist so einfach, den kann jeder bauen. Ein echter Gamechanger. Und drittens sind die Chinesen bei der Software einfach weiter als die Europäer.
Schneller und kreativer sowieso. Das sieht man auch an der Ora Cat von Great Wall Motors. Die Verarbeitung ist auf alle Fälle solide, teilweise sogar Premium. Extra für den deutschen und den europäischen Markt werden die chinesischen Katzen aufgewertet, hier ein besserer Kunststoff, dort unterschäumte Innenteile. Schon sieht es im Cockpit besser aus als in der ersten Generation des ID.3 von Volkswagen. Und fühlt sich auch noch gut an. Die Katze schmeichelt.
Leider patzt die Ora Funky Cat beim Kofferraum
Schmeichlerisch, wenn nicht sogar verschwenderisch, ist das Platzangebot für Fahrer und Beifahrer. Wäre es nur hinten auch so! Klar, die Ora-Katze ist ein Kompaktwagen, von daher muss man sich im Fond auch beschneiden. Man sitzt angenehm, aber beengt. Der Kofferraum allerdings hat seinen Namen nicht verdient. Bescheidene 228 Liter stehen zur Verfügung. Die Ladekante ist mit 80 Zentimeter hoch, die ebenfalls hohe Ladeschwelle unpraktisch. Es wird auch nicht besser bei umgeklappter Rücksitzbank. Die Polster bilden keine ebene Fläche. So wird das Einladen zur Qual.

Nicht der Rede wert, weil mittlerweile Standard, ist das Display im Weitwinkel-Format. Auch hier eine blitzsaubere Verarbeitung im Smartphone-Stil. Kein Wunder, schließlich kommen die Autos aus der Produktionsheimat des Apple-Handys. Die Aufgabenverteilung der beiden Bildschirme ist klar: hinter dem Lenkrad der digitale Tacho, in der Mitte die Fahrzeug-Steuerung. Das Display ist mit 10,25 Zoll (ca. 26 cm) ziemlich klein geraten. Und leider auch die Schrift. Aber das soll mit einem der nächsten Updates geändert werden.
Touch-Screen: schwer zu bedienen, schwer zu lesen
Geärgert haben wir uns über den Touch-Screen, der mit Fingerspitzengefühl nicht zu bedienen ist. Tapsig wie ein Bär klopft man auf die Bildschirmoberfläche, manchmal mehrmals, dann auch tatsächlich mit Erfolg. Aber dafür gibt es ja noch die Sprachsteuerung. Test: „Die nächsten Toiletten?“ Alex, so wurde unser digitaler Assistent getauft, listet diverse Möglichkeiten auf, vor allem Autobahn-Raststätten.

Dumm, dass wir auf Landstraßen unterwegs sind. Noch eine Kostprobe: „Hey Alex, wie findest du Mercedes?“ Anstandslos und mit Quellenangabe liest der Computer den Wikipedia-Eintrag vor. „Und was denkst du über Great Wall Motors?“ Notorisches Schweigen, dann: „Dazu kann ich nichts sagen.“ Ziemlich peinlich, weil Great Wall Motors der Hersteller der Ora-Katze ist.
Überwachung mit Kamera: Big Brother is watching you
Schwamm darüber – ist ja künstliche Intelligenz, die über Updates und täglichem Gebrauch dazulernen will. Das hoffen wir auch für so manches elektronisches Assistenzsystem. Die meisten von ihnen funktionieren anstandslos. Aber eines nervt so richtig: Die sogenannte Notlenkfunktion ist vor allen Dingen dann aktiv, wenn die Straßen eng sind. Wenn man dem Seitenstreifen zu nah kommt, oder sportlich die Kurven schneidet, greift einem dieser Assistent einfach ins Lenkrad. Erst erschrickt man, bei jedem weiteren unnötigen Lenkeingriff wird man immer ärgerlicher. Die Funktion kann man zwar nach einigem Suchen in den Untermenüs ausschalten, muss das aber bei jedem Start des Autos tun. Mühselig.
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Und dann wäre da noch der Aufmerksamkeitsassistent. In einem kleinen Kästchen links vorne an der Frontscheibe verfolgt eine Kamera jeden Blick des Fahrers. Schweift man zu lange von der Straße ab – Mahnung. „Seien Sie geistesgegenwärtig, Konzentration beim Fahren!“, schallt es aus dem Lautsprecher. Yes Sir, sorry Sir. So richtig gruselig wird es, wenn Big Brother Raucher anpflaumt: „Rauchen ist ungesund. Rauchen Sie weniger“, heißt es dann. Die Software erkennt auch die Fluppe im Mundwinkel.
Beim Fahren macht die Funky Cat von Ora Riesenspaß
Hat man auch diesen Assistenten ausgeschaltet, kann man endlich losfahren. Spätestens jetzt ist klar, warum die Ora Cat noch den Beinamen Funky trägt. Sie sieht flippig aus und ist im wahrsten Sinn des Wortes ziemlich abgefahren. Dass der Elektromotor mit seinen 171 PS gleich so brutal loslegt, als wenn Nachbars Lumpi hinter Schmidts Katze her ist, kennen wir zwar schon von einschlägigen E-Maschinen wie etwa beim MG Marvel R macht aber immer wieder einen Heidenspaß.

Beim Ora ist das aber auch noch mit einem guten Fahrwerk kombiniert, das die Katze in die Kurven drückt wie einen Sportwagen. Die Federung ist genau richtig hart, aber verzeiht auch Staubstraßen mit Schlaglöchern. Wer zu stark auf das Gas geht, merkt sofort, dass die Ora Cat an der Front antrieben wird. Da drehen schon mal die Reifen durch, das Lenkrad wackelt wie Pudding. Überwiegend macht die Fahrt jedoch ziemlich Laune, passt zum fröhlichen Gesicht des Autos.
Ora Funky Cat: Geringer Verbrauch, hohe Reichweite
Die Reichweite liegt je nach Modell zwischen 310 (48 kWh-Batterie) und 420 (63 kWh) Kilometern. Das ist ziemlich realistisch. Bei den Testfahrten haben wir 14,9 kWh bei flotter Fahrweise verbraucht und lagen damit sogar unter dem angegebenen Durchschnittswert von 16,7. Und selbst nach kernig-sportlichen Passagen zeigt der Computer nur 17,2 kWh an. So gut die Ora Funky Cat beim Verbrauch ist – so schlecht ist sie beim Aufladen. Mehr als 67 kW gehen nicht: Bei größeren Überlandfahrten braucht man größere Geduld. Mit einer Dreiviertelstunde muss man rechnen und dann hat man auch nur 80 Prozent Kapazität. Aber auch daran arbeiten die Chinesen, wie man hört.
Ist auch dringend nötig, denn der kleine Kompakte mit den Kulleraugen ist preislich kein Schnäppchen. Zwar sind die Autos top ausgestattet, aber losgeht es erst bei 38.990 Euro (Ora Funky Cat 300). Für das Modell mit der größeren Batterie (400 Pro) werden knapp 5.000 Euro mehr fällig. On top rangiert der GT mit knapp 50.000 Euro. Darüber können auch so verspielte Details wie die rollende Kulleraugenbegrüßung der Frontscheinwerfer oder die Koi-Karpfen, die beim Einsteigen von Display zu Display springen, nicht hinwegtäuschen. (Rudolf Bögel)
- ORA Funky Cat 300
- Motor/Antrieb E-Maschine/Vorderrad
- Leistung Drehmoment 126 (171 )PS/250 Nm
- V max / 0 - 100 km/h 160 km/h / 8,3 s
- Länge/Breite/Höhe 4,24/1,83/1,60 m
- Gepäckraum/Leergewicht/Zul. 228 – 858 l/1.615 kg/355 kg
- Batterie/Ladeleistung 45,4 kWh (netto)/64 kW (DC); 11 kW (AC)
- Verbrauch/Reichweite 16,7 kWh/310 km
- Preis: ab 38.990 Euro (ohne Umweltbonus)