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Fahrtest beweist – es geht auch kleiner: Der BMW 120i macht fast so viel Spaß wie der M135i

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Von: Rudolf Bögel

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BMW 120 i weiß
Freude am Fahren - das gilt besonders für den BMW 120i, der mit seinen 178 PS fast keine Wünsche mehr übrig lässt. © www.guenterschmied.com / BMW

Aus für die B-Klasse von Mercedes, kein Nachfolger mehr für Audi A1 und Q2. Die Kompaktklasse stirbt aus. Dabei kann sie so viel Spaß machen. Der BMW 120i im Alltagstest.

Manche Slogans von Autofirmen klingen nach jahrelangem Gebrauch ein wenig hohl. Oft haben sie sich sogar ganz überholt. Nur bei BMW* ist das anders. Die „Freude am Fahren“ gilt nach wie vor als oberstes Ingenieursprinzip. Und das merkt man auch dem Kleinsten in der weißblauen Modell-Phalanx an – dem 1er. Aber muss es gleich der M135i sein, mit 306 PS. Quasi der König der Rennsemmeln? Oder darf es ausnahmsweise ein bisserl weniger sein? Vielleicht reicht ja sogar der 120i mit seinen knapp 180 Pferdestärken.

BMW 120i weiß
Stück für Stück fällt die Tarnung bei den Erprobungsfahrten. Hier sind nur noch Typschild und Teile der Heckschürze beklebt. © BERNHARD_LIMBERGER / BMW

BMW 120i: Tabu-Bruch gleich bei der Geburt

Die dritte Generation des 1er BMWs fängt mit einem, nein, mit zwei glatten Tabu-Brüchen nach 2,5 Millionen verkaufter Exemplare an. Erstens wird der Motor seitdem quer eingebaut, was sämtliche Träume von einem Sechszylinder aus Platzgründen von vorneherein beendet. Und zweitens, und noch viel schlimmer: Dieser 1er wird nicht wie ein anständiger BMW am Heck angetrieben, sondern auf der Vorderachse. Was haben die Fans nicht gewettert, die Puristen sahen schon die Götterdämmerung für BMW am bayerischen Föhn-Himmel! Nach knapp 1000 Testkilometern mit dem 120i können wir die Gemeinde beruhigen. Alles halb so schlimm, weil es die Techniker verstanden haben, die Traktion so ordentlich auf die Straße zu bringen, dass das typische Räderdurchdrehen oder das Schuppern beim Lenken fast gar nicht auftritt. Jetzt mag der Kenner vielleicht die Kraftentwicklung von hinten vermissen, weil sie sich einfach kerniger anfühlt. Geschenkt! Dieser BMW beschleunigt und zieht, dass es eine wahre Freude beim Fahren ist.

BMW M135i gelb
Sieht nicht nur giftig aus, sondern fährt sich auch so: Der BMW M135i ist mit seinen 306 PS ein echtes Geschoss. © BMW

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Fahrtest: Schon ab 1.350 U/min legt der Motor mächtig los

Das liegt auch am Motor. Der Bi-Turbo-Benziner holt 178 Pferdestärken aus den zwei Litern Hubraum – und entwickelt dabei ab 1.350 Umdrehungen ein recht aufgewecktes Drehmoment von 280 Newtonmetern (Nm). Dabei hält das Aggregat dieses Plateau über knapp 3.000 Umdrehungen bis 4.200. Das ist nicht nur gut, das fühlt sich auch gut an. Denn nach dem ersten flotten Aufgalopp gerät der BMW ziemlich schnell in kraftvolles zügiges Traben, um beim Pferdesport zu bleiben. In der Stadt oder dort wo häufige Geschwindigkeitskontrollen zu vermuten sind, sollte man den sogenannten Fahrerlebnisschalter auf „Comfort“ stellen, dann spricht das Gas nicht ganz so schnell an und man vermeidet so unnötige Begegnungen mit dem Wachtmeister oder der Verkehrssünderkartei.

BMS 120i Innenraum
Es werde Licht. Ambi-Light nennt sich das im automobilen Fachjargon, quasi die Mini-Disko fürs Auto. © Tom Kirkpatrick / BMW

Sind 14.000 Euro mehr für den M135 i gerechtfertigt?

Das Fahrwerk bleibt auch beim „Comfort“ knackig und resch, so wie man es von BMW kennt. Dabei federt es Unebenheiten trotzdem lässig weg. Vorausgesetzt, man hat das adaptive Dämpfersystem (500 Euro) zusätzlich geordert. Das Sportfahrwerk mit einer 10-Millimeter-Tieferlegung (370 Euro Aufpreis) ist ohnehin Pflicht für Menschen, die wenig Neigung für Wank-Neigungen in Kurven haben, sondern auf eine präzise Lenkung Wert legen. Flott, agil, präzise und hart – der BMW 120 i fährt sich tatsächlich so flott wie er aussieht. Dass er 7,0 Sekunden von 0 auf 100 braucht, das hätten wir nie gedacht. Es hat sich viel schneller angefühlt. Von daher ist die Frage, ob es einen M135 i mit 306 PS und einem noch schärferen Fahrwerk überhaupt braucht, schon fast überflüssig. Wenn es um mehr Leistung geht, ist sie zu verneinen. 14.000 Euro mehr – so viel bietet der M135i im Alltag auch wieder nicht. Anders ist das, wenn man auf die Rennstrecke geht, aber wie viele tun das wirklich? Oder, wenn man Wert auf ein besonders sportliches Prestige legt.

BMW 120 i weiß Kofferraum Heckklappe offen
Sieben Zentimeter gilt es zu überwinden, wenn man Gepäck im Einser aus- und einladen will. Der ADAC hat es nachgemessen. © Tom Kirkpatrick / BMW

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BMW 120i im Check: Zusätzlicher Stauraum unter dem Ladeboden

Bleiben wir beim Alltag. Durch den platzsparenden Quer-Einbau des Motors ist auch der Innenraum gewachsen. Vor allem bei den Passagieren. Der Kofferraum hat im Vergleich zur zweiten Generation nur minimal zugelegt, ist mit 380 Litern (flexibel erweiterbar durch die dreifach teilbare Rückbank auf 1200 Liter) schon recht praktikabel. Die Ladekante liegt auf 70 Zentimeter, störend ist die Lade-Lippe von sieben Zentimetern (Messungen ADAC), weshalb das hinein und hinaushieven ein wenig mühselig ist. Die Kante wäre noch höher geworden, wenn BMW nicht noch einen doppelten Ladeboden eingebaut hätte. Darunter hat man Stauraum für 90 Liter – vor allem für Gegenstände, die durch Klappern, Klackern und Anstoßen dazu geeignet sind, dem Fahrer den letzten Nerv zu rauben.

BMW 120i weiß Lichtsignatur am Boden
Lichtsignaturen wurden durch den Comic-Helden Batman erst so richtig berühmt. Mittlerweile haben fast alle Autos so eine. © BMW

Wenigstens der BMW versteht die Sprachbefehle

Liebling, wer hat den Dreier geschrumpft? Der Einser sieht tatsächlich aus wie die Mini-Ausgabe des bayerischen Megasellers. Im Innenraum merkt man von den geschrumpften Dimensionen fast nichts. Auch das Armaturenbrett erinnert von der Ausstattung und vom Layout her an den größeren Bruder. Das digitale Cockpit von BMW mag man – oder nicht. Das ist beim 1er genauso. Kritiker bemängeln die kleinteilige Tacho-Anzeige als zu wirr. Klar strukturiert ist hingegen der Infotainment-Bildschirm, den man am besten mit dem iDrive-Controller in der Mittelkonsole bedient. Mit etwas Übung funktioniert das ratzfatz. So muss es sein, damit die Aufmerksamkeit nicht zu lange vom Display gefangen wird und dann am Ende auf der Straße fehlt. Gut ist auch die Sprachsteuerung. Nach dem Aussprechen der magischen Worte „Hey BMW“ werden auch Sprachbefehle umgesetzt, die sich nicht an festgelegten und monotonen Worthülsen orientieren müssen wie bei vielen anderen Herstellern (Navigation, München, Bayerstraße). Es reicht auch ein: Bring mich bitte in die Bayerstraße nach München.

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BMW 120i  weiß Heck Seite
Die einen finden sie skulptural, die anderen nur wulstig. Die Heckleuchten sind bei der neuen BMW-Designlinie wichtig. © Tom Kirkpatrick / BMW

Und so lautet unser Fazit zum BWM 120i

So eine Freude beim Fahren! Ehrlich gesagt, hat uns dieser Einser verblüfft. Das Vorurteil mit dem Frontantrieb ist ab sofort abgehakt. BMW kann auch Frontantrieb. Punkt. Und auch sonst hat uns der 1er überzeugt. Man könnte fast von der Wiederentdeckung der Kompaktklasse reden. Sportlich, flach, gut, mit ordentlich Platz. Wer braucht da schon den nächsten SUV? Einzig der Preis, der hat einen kleinen Tropfen Wermut in das Glas gekippt. Mit über 40.000 Euro ist die Freude am Fahren teuer erkauft. (Rudolf Bögel) *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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