Elektroauto laden: Niedrigere Strompreise sind laut Studie machbar – durch Gas und Kernkraft
An den Ladesäulen mussten E-Autofahrer wegen des hohen Strompreises in den vergangenen Monaten immer tiefer in die Tasche greifen. Eine Studie zeigt, wie die Kosten wieder sinken können
Der Ausstieg aus der Kernenergie sowie als Braun- und Steinkohle hat seinen Preis – das merken die Kunden seit Monaten an der eigenen Geldbörse. Der Ausstieg aus Braun- und Steinkohle steht für viele fest, während der Ausstieg aus der Kernenergie sowie der Gasversorgung durch das Ausland umstrittener denn je ist. Nach einer Studie sind Gas und Atomstrom jedoch unverzichtbar, um die Kosten bis zum Jahre 2025 nennenswert zu senken.
Der Umstieg zur Elektromobilität läuft auf Hochtouren. Immer mehr Verbrennermodelle verschwinden aus den Modellportfolios der verschiedenen Hersteller und die Elektroversionen gewinnen langsam die Oberhand. Doch das nährt die Frage, woher der Strom für all die Elektrofahrzeuge kommen soll. Und neben der Strommenge an sich geht es nicht zuletzt um Kosten, denn wer an einem Hypercharger das eigene Elektroauto nachlädt, bezahlt mitunter mehr als 0,80 Euro für eine Kilowattstunde Strom und so liegen sparsamer Verbrennungsmotor und Elektrotriebwerk gleichauf. EnBW, einer der größten deutschen Stromanbieter und Betreiber zahlreicher Ladesäule erhöht seine Strompreise ab dem 17. Januar spürbar. Auch bei den Wettbewerbern wie Allego oder Ionity sind die Ladepreise nennenswert gestiegen.
Elektroauto laden: Niedrigere Strompreise sind laut Studie machbar – durch Gas und Kernkraft
Und nicht nur die Ladepreise dürften mittelfristig weiter steigen – auch auf den Kaufpreis von Fahrzeugen wirken sich die hohen Energiepreise aus. Nur mit erneuerbaren Energien wird Deutschland in den kommenden Jahren kaum auskommen. Dazu fehlt es unter anderem an konstanter Wind- und Wasserkraft sowie Solarenergie. Wenn schon die komplette Selbstversorgung nicht machbar ist, sollte man doch die regenerativen Energiequellen nützen, so gut es geht. Da ist Deutschland offenbar auf einem guten Weg. Nach Untersuchungen des Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) haben die Bereiche Wind und Fotovoltaik bei der deutschen Nettostromerzeugung 2022 deutlich zugelegt.
Laut dem ISE haben die deutschen Fotovoltaikanlagen 2022 etwa 58 Terrawattstunden Strom erzeugt und davon circa 53 TWh ins öffentliche Netz eingespeist. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz zeigt Wirkung und trägt seinen Anteil bei, indem der Zubau der EEG-Anlagen mit 6,1 Gigawatt die Nennleistung dieser Anlagen zur Stromerzeugung (installierte Leistung) auf etwa 66 Gigawatt (Stand November) erhöht. Das entspricht dem höchsten Fotovoltaik-Zubau seit dem Jahr 2013. Im Zusammenspiel mit dem sonnigen Wetter des vergangenen Jahres legt die Solarstromerzeugung im Vergleich zu 2021 um 19 Prozent zu. Bemerkenswert: Von April bis August und im Oktober war die monatliche Stromerzeugung der Fotovoltaik-Anlagen höher als die von Steinkohlekraftwerken und von März bis September übertrifft die Kraft der Sonne sogar den Output von Gaskraftwerken.

Elektroauto laden: Forderung nach massiv beschleunigtemm Ausbau der erneuerbaren Energien
Für die Windanlagen war 2022 ein durchschnittliches Jahr: Insgesamt produzierten die Windräder an der Küste und im Landesinneren rund 123 TWh, das sind neun TWh mehr als im Jahr zuvor. Damit setzt sich die Windkraft an die Spitze der deutschen Stromerzeuger, gefolgt von Braunkohle, Solar, Steinkohle, Erdgas, Biomasse, Kernkraft und Wasserkraft. Die Stromproduktion durch Wasserkraft ging aufgrund des heißen Sommers im Vergleich zu 2021 um drei TWh auf nurmehr 16 TWh zurück. Unterm Strich haben die erneuerbaren Energiequellen im Jahr 2022 etwa 244 TWh Strom erzeugt, das sind circa 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr (227 TWh). Das wirkt sich auch auf den Anteil der regenerativen Energien an der öffentlichen Nettostromerzeugung aus: Der stieg um vier Prozent auf 49,6 Prozent (Anteil an der Last 50,3 Prozent).
Bei allen Fortschritten sind diese Stromerzeuger von der Autarkie noch weit entfernt. Da die Zahl der Elektroautos zunimmt, wird das Preisgefüge bei an den teutonischen Ladesäulen dynamisch bleiben. Zumal der Kampf um Strom damit noch härter wird. Hoffnung machen da die Analysten der Unternehmensberatung McKinsey, die in ihrer Studie „Zukunftspfad Stromversorgung“ zum Schluss kommen, dass bis zum Jahr 2025 eine Strompreissenkung auf wettbewerbsfähiges Niveau machbar ist. Eine zentrale Forderung, um dieses Ziel zu erreichen, ist ein massiv beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien.
Elektroauto laden: Strompreissenkung durch regenerative Energien auf die Schnelle nicht zu erwarten
Die Begleitumstände zeigen, dass das nicht so einfach sein wird. Aktuell kommen 95 Prozent der Fotovoltaik-Module aus China. Angesichts der zunehmend komplizierten geopolitischen Lage, ist daher eine Lokalisierung möglichst großer Produktionskapazitäten wichtig, um eine Versorgung mit diesen Stromspendern sicherzustellen. Diese Zwickmühle ist umso bemerkenswerter, da Deutschland vor gut zehn Jahren führend in der Herstellung von Fotovoltaikzellen war. Doch der lange Atem fehlte, China nutzte die Chance und sprang in die Bresche. Jetzt muss man einen leichtfertig aufgegeben Vorteil mit großem und kostenintensivem Einsatz wieder wettmachen. Das Positive ist, dass nach Ansicht der McKinsey-Berater 180.000 zusätzliche Arbeitskräfte für die Umsetzung des Ausbaus der erneuerbaren Energien notwendig sind.
Dennoch ist nicht zu erwarten, dass die regenerativen Energien bis zur Mitte der Dekade die Last der Versorgung in einem Maße stemmen kann, um die Strompreise zu drücken. Die Konsequenz liegt nach Ansicht der McKinsey-Experten auf der Hand und dürfte bei einigen für Ernüchterung sorgen: „Gas wird als stabile und vergleichsweise emissionsarme Ergänzung noch für mehr als zehn Jahre ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Energiesystems sein, denn der Energiebedarf steigt und der Ausbau erneuerbarer und konventioneller Erzeugungskapazitäten und Netze läuft noch nicht schnell genug“, heißt es in der Studie.
Elektroauto laden: Gas spielt laut Studie eine entscheidende Rolle, um die Strompreise zu senken
Gas spielt eine entscheidende Rolle, um den Strompreis zu senken. „Sinkende Erdgaskosten sind der entscheidende Schlüssel, um auch die CO2-Emissionen der Stromerzeugung zu reduzieren. Wenn die Erdgaskosten hoch bleiben, könnte zu viel Kohle zum Einsatz kommen“, erklärt Alexander Weiss, Leiter weltweiten Energieberatung bei McKinsey. Eine Reduzierung des Gaspreises ist nach Ansicht der Studien-Autoren nur durch langfristige Verträge mit Gasproduzenten möglich. Eine bittere Pille für alle, die das Ende der fossilen Energien herbeisehnen.
Die Auswirkungen sind eindeutig. „Bei einer signifikanten Senkung des Gaspreises auf den prognostizierten LNG-Preis von 28 Euro/MWh im Jahr 2025 könnte der Strompreis auf bis zu 75 Euro/MWh fallen“, stellen die McKinsey-Analysten fest. Sollte sich die Bundesregierung dazu durchringen, die Laufzeiten der Kernkraftwerke über den April 2023 hinaus zu verlängern, könnte 2025 den Großhandelsstrompreis zusätzlich um fünf bis 15 Euro/MWh senken. „Einzelmaßnahmen werden voraussichtlich nicht ausreichen, um die Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit in Einklang zu bringen – ein Gesamtpaket und eine konzertierte Aktion aller Akteure ist notwendig“, nimmt Alexander Weiss die Verantwortlichen in die Pflicht. (Wolfgang Gomoll/press-inform)