Elektroauto: Deutschland droht ein Ladesäulen-Mangel
Immer mehr Elektroautos rollen auf unsere Straßen. Doch die Anzahl der Ladesäulen hinkt hinterher. Insbesondere in den Städten fehlen Lademöglichkeiten.
Die Fahrer eines Elektroautos oder eines Plug-in-Hybriden wissen in den Morgenstunden in der City oder wochenends an den Schnellladesäulen der Autobahnen ein Lied davon zu singen: Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit dem Auto einfach vorfuhr, sich den Parkplatz aussuchte und den Stecker in den eigenen Ladeadapter stopfte. Gerade in den Innenstädten sieht es mit freien Parkplätzen für elektrifizierte Modelle mittlerweile schlecht aus.
Die wenigen Parkplätze mit einer Ladesäule sind schnell belegt, denn mittlerweile sind immer mehr Menschen mit einem Elektroauto unterwegs. Noch schwieriger ist die Lage in vielen Parkhäusern. Gerade in der Vorweihnachtszeit geht auf den normalen Parkflächen ohnehin wenig und so kommt man kaum umhin, eines der teuren Parkhäuser aufzusuchen. Hier entstehen nämlich immer mehr Ladepunkte.

Elektroauto: Deutschland droht ein Ladesäulen-Mangel
Doch hier droht neues Ungemach. Die älteren Parkhäuser haben zumeist gar keine Ladestationen und diejenigen, die solche anbieten, haben gerade einmal eine handvoll an Steckerplätzen und die Tarife sind oftmals teuer. Können in der Parkgarage für stattliche Stundenpreise Hunderte von Fahrzeugen einen Platz zum Ausruhen finden, bevor diese die verkaufsgestressten Einkäufer wieder zurück nach Hause bringen, liegt die Zahl der Stellplätze mit Ladestecker oftmals bei zwei, vier oder sechs für das ganze Parkhaus.
Wer bei den Parkhausbetreibern nachfragt, bekommt unisono die gleiche Antwort: Die Kosten, in einer bestehenden Garage Ladesäulen zu installieren, sind bei einem älteren Bestandsgebäude groß. Zudem reicht bei vielen Garagen auf den einzelnen Etagen die Infrastruktur nicht aus, um an viele Stellplätze Strom für bestenfalls Hochspannung zu bekommen.
Elektroauto: In Innenstädten fehlen Ladesäulen
Die Autohersteller zucken mit den Achseln, denn sie haben ihre Arbeit nicht zuletzt durch den großen politischen Druck gemacht und in den vergangenen Jahren mit Milliardenaufwand elektrifizierte Modelle entwickelt und mittlerweile auf die Straße gebracht. Unter dem Anbieter Ionity haben sich zwar mehrere Autohersteller in einer Initiative zusammengefasst, doch hier geht es in erster Linie um ein internationales Schnellladenetz entlang der großen Verbindungsstrecken, um einem Elektrowettbewerber wie Tesla ausreichend Paroli bieten zu können.
Doch die großen Probleme gibt es aktuell nicht an Autohöfen oder Autobahntankstellen, sondern speziell in den Innenstädten, denn diese kommen mit der Ladeinfrastruktur nicht hinterher, da die Schere zwischen Elektroautos und Ladesäulen immer weiter auseinandergeht.
Elektroauto: Ladesäulen-Monopol in deutschen Städten
Das gilt nicht nur für die Ladesäulen an sich, sondern insbesondere auch das Schnellladenetz. Kaum eine deutsche Metropole hat mehr Ladesäulen als München, doch schaut man sich auf der Karte an, wie viele davon Hypercharger mit mehr als 150 Kilowatt Leistung sind, sieht es düster aus. Ein ähnliches Bild bietet sich in Berlin, Hamburg oder Köln. Ein großes Problem ist dabei der Ladesäulenmonopolismus.
Nach Informationen des Hamburger Stromanbieters Lichtblick sind die meisten Ladepunkte fest in der Hand der städtischen Energiebetreiber. Demnach betreibt Enercity in Hannover 89 Prozent aller Ladepunkte. Auch in Mannheim (90 Prozent MVV) oder Wiesbaden (91 Prozent ESWE) ist die Situation eindeutig. In München (85 Prozent Stadtwerke München), Köln (88 Prozent Rheinenergie), München oder Hamburg (83 Prozent Stromnetz Hamburg) bietet sich ein ähnliches Bild. Da sticht Berlin, wo 70 Prozent der Ladesäulen zu den Berliner Stadtwerken gehören, fast schon positiv heraus. Diese Situation ist alles andere als ideal für einen Wettbewerb, bei dem der Kunde, der aus verschiedenen Anbietern auswählen und sich für den besten Preis entscheiden kann.
Elektroauto: Deutschland mangelt es an Schnellladesäulen
Mit Stand Oktober 2022 gab es in Deutschland knapp 71.000 offiziell angemeldete Ladesäulen, wovon 60.000 Stationen mit einer schmalen Leistung von bis zu 22 Kilowatt ausgestattet waren. Eines der größten Schnellladenetze in Deutschland betreibt EnBW, die aktuell mehr als 750 Hypercharger in ihrer Liste haben. Bis 2025 soll die Zahl auf 2500 steigen, doch gibt es die Ladeparks in erster Linie an Autobahnen und Verkehrsknotenpunkten.

In den Innenstädten haben eben zumeist die regionalen Betreiber die Oberhand und wollen selbst Geld verdienen – mit langsamen Ladestationen. Daher kommen Betreiber wie EnBW nur über Kooperationen in die Innenstädte, weshalb die Schnellladesäulen immer häufiger auf Parkplätzen von Supermärkten, Drogerien, Burgerketten oder Baumärkten stehen. Doch auch hier wird es nicht nur am Wochenende langsam enger und enger, denn die Zahl der Elektroautos steigt stetig.
Elektroauto: Zulassungszahlen steigen weiter an
Im vergangenen Monat stieg die Zahl der Neuzulassungen mit alternativem Antrieb nochmals um 11,2 auf knapp 46 Prozent. Mehr als ein Viertel (26,8 Prozent/+ 10,7 Prozent) entfiel dabei auf Neuwagen mit einem Elektroantrieb. Knapp 15 Prozent aller neuen Autos sind aktuell reine Elektroautos – Tendenz mit einem Zuwachs von 21,3 Prozent stark steigend.
Die Zahl läge sogar noch höher, wenn die Autohersteller liefern könnten. Pandemie und Halbleiterkriese sorgen dafür, dass in den Auftragsbüchern Hunderttausende von Fahrzeugen mit Stecker parken, die aktuell nur mit monatelanger Verzögerung produziert und ausgeliefert werden können. Besonders hoch ist die Anzahl elektrifizierter Modelle bei Audi (69,1 Prozent), BMW (65 Prozent) und Mercedes (50 Prozent).
Elektroauto: Auch im Ausland sind Ladesäulen oft Mangelware
Die angespannte Situation sieht in Europa kaum anders aus, wobei sich die einzelnen Nationen deutlich unterscheiden. In sechs der EU-Staaten steht an einer Strecke von hundert Kilometern nicht ein einziger Ladepunkt. In 17 Ländern gibt es weniger als fünf Ladepunkte pro 100 Kilometer Straße und gerade einmal fünf Staaten verfügen auf dieser Strecke über mehr als zehn Ladepunkte. Gibt es in den Niederlanden zum Beispiel mit einer Ladestation auf 1,5 Kilometer Straßennetz eine Ladesäule, hat Polen - achtmal größer als die Niederlande – gerade einmal einen Ladepunkt auf 150 Kilometern.
Und das Schnellladenetz ist gerade in Europa oftmals kein solches, denn der größte Teil der vermeintlichen Schnellladesäulen bietet gerade einmal ein Ladetempo von 22 Kilowatt. Nur ein Siebtel aller Ladepunkte ist eine Schnellladesäule. „Wenn wir die Bürger in ganz Europa davon überzeugen wollen, im kommenden Jahrzehnt auf Elektromobilität umzusteigen, sollte das Aufladen dieser Autos so einfach sein wie heute das Tanken“, unterstreicht ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries, „die Menschen sollten weder kilometerweit fahren müssen, um ein Ladegerät zu finden, noch sollten sie lange warten müssen, um ihr Fahrzeug aufzuladen.“ ( Wolfgang Gomoll/Stefan Grundhoff/press-inform)