Neuer Bußgeldkatalog: Fahrverbote könnten laut ADAC unwirksam sein
Ende April war die Neuregelung der StVO in Kraft getreten. Sie sieht bereits Fahrverbote ab einer Überschreitung von 21 km/h vor. Experten des ADAC sind der Meinung, dass die neuen Fahrverbotsregelungen wegen eines Formfehlers im Gesetzestext unwirksam sind.
- Ende April trat die StVO-Novelle in Kraft
- Sie soll vor allem Fahrradfahrer besser schützen
- Außerdem sieht sie höhere Strafen für viele Verkehrsvergehen vor
München – Die neu eingeführten, schneller greifenden Fahrverbote der StVO-Reform könnten unwirksam sein. Dieser Meinung sind Rechtsexperten des ADAC. Die Fahrverbote machen zwar nur einen kleinen Teil der Neuerungen aus, sind aber gleichzeitig wohl die politisch umstrittensten, weshalb der Automobilclub ADAC sie auch im Besonderen kritisierte: „Die deutliche Erhöhung von Bußgeldern und das frühere Verhängen von Fahrverboten auch auf Autobahnen schießt über das Ziel hinaus“, sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand über die Neuregelungen, die im ursprünglichen Entwurf des Bundesverkehrsministeriums gar nicht enthalten waren. Erst auf intensiven Drängen des Bundesrats wurden sie der StVO-Novelle hinzugefügt.
„Dabei wurde allerdings vergessen, auch die Präambel der Änderungsverordnung entsprechend anzupassen“, sagt Markus Schäpe, Leiter der Rechtsabteilung des ADAC. Die Verschärfung von Fahrverboten ist demnach unwirksam. In der Novelle der Straßenverkehrsordnung sei das sogenannte „Zitiergebot“ des Grundgesetzes verletzt worden. Auch ruhr24.de berichtet darüber.*
Bußgeldkatalog: ADAC bezweifelt, dass Fahrverbotsregelungen rechtmäßig sind
Die Reform nicht per Gesetz, sondern per Verordnung statt. Das erlaubt Änderungen an der StVO ohne die Beteiligung des Parlaments. Voraussetzung dafür ist aber, dass es für Änderungen an dem den betreffenden Gesetzen eine „Verordnungsermächtigung“ gibt. Eine solche Ermächtigung gibt es für die StVO, und sie bezieht sich auch auch auf die Verhängung von Fahrverboten. Die Reform ist also prinzipiell durch die Kompetenzen von Verkehrsministerium und Bundesrat gedeckt. Das „Zitiergebot“ schreibt allerdings vor: Eine Verordnung muss die Verordnungsermächtigung, auf die sie sich stützt, im Gesetzestext ausdrücklich benennen. In der Präambel der StVO-Reform fehlt dieser Verweis. Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand sagte am Mittwoch: „Das unvollständige Zitieren der Ermächtigungsgrundlage in der StVO-Novelle führt dazu, dass die Verschärfung der Fahrverbote nicht wirksam ist, die der ADAC kritisiert hatte. Wichtig ist es jetzt, die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen wieder herzustellen und eine stärkere Differenzierung zu ermöglichen.” (ADAC-Tunneltest: Schwere Mängel in Italien)
Nach der Auffassung des ADAC führt das unvollständige Zitieren der Ermächtigungsgrundlage dazu, dass die neuen Fahrverbote nicht wirksam seien. Gerhard Hillebrand sieht jetzt eine Chance, die Änderungen nochmal grundlegend zu überarbeiten: „Jetzt bietet sich die Möglichkeit, zu einem ausgewogenen Verhältnis von Delikt und Sanktionen zu kommen und ein stärker abgestuftes System zu entwickeln. Diese Chance sollten Bund und Länder gemeinsam nutzen.“ (ADAC: Keyless-Systeme – Nur diese Modelle bieten Sicherheit vor Diebstahl)
ADAC empfiehlt: Einspruch einlegen!
Allen, die bereits Bußgeldbescheide auf Grundlage der neuen Regelungen erhalten habe, empfiehlt der ADAC, Einspruch einzulegen. Folgende Schritte empfiehlt der Automobilclub den Betroffenen:
- Ist die 14-tägige Einspruchsfrist noch nicht verstrichen, sollten Sie umgehend Einspruch einlegen
- Verlangen Sie eine Änderung der Rechtsfolgen
- Beantragen Sie bei der Bußgeldstelle einen Vollstreckungsaufschub (dies gilt, wenn der Bußgeldbescheid inklusive Fahrverbot bereits rechtskräftig ist, das Fahrverbot aber noch nicht angetreten wurde)
- Wer seinen Führerschein bereits abgegeben hat, kann im Gnadenverfahren die Aufhebung der Entscheidung und die Herausgabe des Führerscheins beantragen
Verkehrsminister Scheuer plant Neuregelung
Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte schon Mitte Mai signalisiert, die „unverhältnismäßige“ Regelung zu den Fahrverboten wieder kippen zu wollen. Damals aber war von formalen Gründen nicht die Rede. Grund waren auch Proteste vieler Autofahrer. Auf Kritik stoßen Scheuers Pläne auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die von einer „Verkehrtwende“ des Ministers bei der Bestrafung von Temposündern sprach: „Unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten sind weiterhin das Unfallrisiko Nummer 1. Den eingeschlagenen Weg zu härteren Strafen für Temposünder zu verlassen, torpediert das politische Bekenntnis für mehr Verkehrssicherheit“, betonte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens. Und eine Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats sagte, für die Verkehrssicherheit wäre die Rücknahme der Sanktionen ein fatales Signal. „Unerlaubt zu schnell fahren würde massiv verharmlost.“ (Mit Material der dpa)