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Bugatti Divo: Basiert zwar auf dem Chiron, ist aber weniger ...

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Von: Jan Schmidt

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Die Targa Florio ist eine der bekanntesten Rennstrecken der Welt. Die kurvenreiche Tour auf der süditalienischen Insel Sizilien war im vergangenen Jahrhundert lebensgefährlich. Heute begeistert diese mehr denn je – gerade in einem Hypersportler wie dem Bugatti Divo.

Sizilien – In den späten 1920er-Jahren führt an den legendären Bugatti-Rennern kein Weg vorbei. Das ist auf der bereits damals gefürchteten Targa Florio nicht anders als auf anderen Pisten. Zwischen 1925 und 1929 dominiert Bugatti mit dem Type 35 das Langstreckenrennen auf Sizilien und in den Jahren 1928 und 1929 zeigt insbesondere ein Pilot sein tollkühnes Können: Albert Divo (71, † 1966). (Fahrbericht McLaren 620R: Dieses Rennwagen-Extra macht noch mehr Lärm)

Der Type 35 als einer der erfolgreichsten Rennwagen aller Zeiten ist seinerzeit ein technisches Meisterwerk. Erstmals setzt Bugatti Anfang der 1920er-Jahre einen zweifach rollengelagerten und dreifach kugelgelagerten Kurbeltrieb ein. Der dreht mit bis zu 6.000 U/min, um die acht Kolben in dem anfangs zwei Liter großen Motor zu bewegen. Zwei Vergaser versorgen den 95 PS starken Achtzylinder mit ausreichend Kraftstoff, wobei die Kraftübertragung über eine nasse Mehrscheibenkupplung erfolgt. Die ersten Type-35-Modelle fahren bereits über 190 km/h, spätere Type-35B-Fahrzeuge mit dem 2,3-Liter-Achtzylinder leisten dank eines Kompressors bis zu 140 PS. Geschwindigkeiten jenseits der 215 km/h sind damit möglich – auch auf der Targa Florio, wo die längste Gerade nur sechs Kilometer lang ist. (Hyperion XP-1: In dieser Brennstoffzellen-Flunder steckt NASA-Technologie)

Fahraufnahme eines Bugatti Divo von schräg vorn
Der Bugatti Divo baut auf dem Chiron auf. © Hersteller

Bugatti Divo: Basiert zwar auf dem Chiron, ist aber weniger ...

Knapp hundert Jahre später geht es mit einem Bugatti wieder auf Tour über die kurvenreiche Naturrennstrecke. Diesmal im neuen Bugatti Divo – ein Auto, das den spektakulären Chiron noch exklusiver werden lässt. Gerade einmal 40 Fahrzeuge werden derzeit in Handarbeit produziert. Exklusiver denn je kehrt er somit an die alte Wirkungsstätte von Albert Divo zurück, der dem 1.500 PS starken Hyperrenner seinen Namen gibt. Die alte Tribünenanlage ist ebenso verfallen wie große Teile der italienischen Insel. Sizilien hat schon bessere Zeiten gesehen und das ist sehr lange her. Doch der morbide Charme lässt den visionären Straßenrenner in der verblichenen Boxengasse wie ein Ufo aus einer fernen Galaxie erscheinen.

Ein Druck auf den Taster und der aufgeladene Sechszehnzylinder erweckt zu brüllendem Leben. Die Fahrer der passierenden Multiplas und Unos reißen bei 35 Grad im Schatten die Augen auf, zücken Mobiltelefone und machen Vollbremsungen, um einen Blick zu erhaschen. Hier ist sonst nicht viel los und ein Ufo landet auf Sizilien nicht jeden Sommer. Schon gar keines, dass 1.600 Newtonmeter maximales Drehmoment hat und aus dem Stand dank der Kombination aus Doppelkupplung und Allradantrieb in 2,4 Sekunden auf Tempo 100 spurtet. (Millionenschaden: Bugatti Chiron kracht in Porsche Cabrio – diese Aktion war der Auslöser)

Detailaufnahme des Motors eines Bugatti Divo
Der 8,0-Liter-W16-Motor des Bugatti Divo liefert 1.500 PS. © Hersteller

Bugatti Divo: Basiert zwar auf dem Chiron, darf aber „nur“ 380 km/h fahren

Technisch ist der Bugatti Divo ein Chiron, ist aber weniger schnell. Man lässt es etwas langsamer angehen. „Bei 380 km/h ist Schluss. Dann wird abgeregelt“, erklärt Ingenieur und Testfahrer Andy Wallace auf dem Beifahrersitz. Der Divo ist nicht für die absolute Höchstgeschwindigkeit ersonnen und daher sollten 380 km/h für das Nötigste reichen (der „normale“ Chiron rennt bis zu 420 km/h). Die Kurven hier auf der alten Targa Florio Strecke sind dabei ein größeres Problem als die lokalen Ordnungsbehörden, die gleich mehrfach vorbeikommen, um die blaue Flunder aus Molsheim zu inspizieren und sich neben ihr ablichten zu lassen. „Der Divo zählt heute schon zum Meilenstein in der über 110-jährigen Geschichte Bugattis“, sagt Bugatti-Präsident Stephan Winkelmann (55), „mit dem jetzt ausgelieferten Divo beginnt für Bugatti die neue Zeitrechnung des modernen Coachbuilding. Es ist ein individualisiertes Meisterstück automobiler Handwerkskunst, eine kommende Legende.“ (Gordon Murray T.50: Dieser Supersportwagen lässt die Konkurrenz alt aussehen)

Cockpitaufnahme eines Bugatti Divo
Im Interieur des Bugatti Divo finden sich viel Leder und Carbon. © Hersteller

Vom Bugatti Chiron unterscheidet sich der 5,8 Millionen Euro teure Divo durch das eigenständige Design und eine geänderte Aerodynamik. Der optische Höhepunkt ist Chefdesigner Achim Anscheidt und seinem Team mit den ungewöhnlichen 3D-Heckleuchten gelungen. 44 kleine Finnen bilden das interessant illuminierte Rücklicht, das die meisten anderen Verkehrsteilnehmer nur ganz kurz sehen werden. (Bugatti made in China: Video vom Bau einer Kopie wird Social-Media-Hit)

Bugatti Divo: Der 1,83 Meter breite Heckflügel sorgt für viel Abtrieb

Der Divo hat – perfekt für kurvenreichen Rennstrecken wie die Targa Florio – mehr Abtrieb, was Agilität und Querdynamik gleichermaßen steigert. Über den Lufteinlass auf dem Dach bekommt das Acht-Liter-Monstertriebwerk mehr Ansaugluft und eine verbesserte Anströmung. In den kommenden sieben Monaten sollen alle 40 Fahrzeuge an die Kunden ausgeliefert werden. Der Divo ist 35 Kilogramm leichter als der Chiron, wobei die geänderte Aerodynamik für 90 Kilogramm mehr Abtrieb sorgt. Das sind unglaubliche 456 Kilogramm Anpressdruck bei der Maximalgeschwindigkeit von 380 km/h. Für besonders viel Downforce sorgt der in der Höhe fest stehende und 1,83 Meter breite Heckflügel. Er ist 23 Prozent breiter als der des Chiron, lässt sich aber weiter für die individuellen Fahrzeugmodi winkelverstellen und arbeitet als Luftbremse größtmögliche Verzögerung. Dadurch werden deutlich größere Kurventempi möglich, wobei der Franzose bei der Querbeschleunigung nunmehr 1,6 g realisieren kann. (Donkervoort: Dieser Flitzer fährt mit doppelter g-Kraft um die Kurve)

Standaufnahme eines Bugatti Divo von schräg hinten
Der Winkel des 1,83 Meter breiten Heckflügels lässt sich verstellen. © Hersteller

Die Wellen und spröden Unebenheiten des Kurses setzen dem Divo überraschend wenig zu. Die Lenkung ist grandios – die Abstimmung von Federn und Dämpfer nicht anders. „Da hüpft nichts“, beteuert Andy Wallace (59), der Chiron und seinen teuren Bruder kennt wie kein anderer. „Da ist viel Arbeit hineingeflossen. Es macht an der Bodenunebenheit einmal zack und der Divo sitzt wieder bombenfest auf der Straße“, strahlt der Engländer, der in den letzten Jahrzehnten alle nennenswerten Langstreckenrennen der Welt gewinnen konnte und den Bugattis seit Jahren den letzten Schliff gibt. Man glaubt es ihm – auch weil der Bugatti Divo betört, bezaubert und einen entführt. Entführt in eine Welt, von der der normale Autofahrer der 100- bis 200-PS-Liga nicht einmal zu träumen wagt. Stellt man den blauen Divo einmal kurz am Straßenrand ab, um sich mit einem Getränk zu erfrischen, bilden sich innerhalb von Minuten Menschentrauben. Die Autobegeisterung ist hier auf Sizilien noch wie in den späten 1920er-Jahren, als Albert Divo die internationale Konkurrenz am Steuer seines blauen Renners in Angst und Schrecken versetzte. (Bis zu 2.000 PS: Diese Spaß-Stromer kommen bald) (Von Stefan Grundhoff/press-inform)

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