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Elektroautos in Indien: Kaum Ladesäulen – aber die Regierung hat ambitionierte Pläne

  • Sebastian Oppenheimer
    VonSebastian Oppenheimer
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Bis zum Ende des Jahrzehnts soll in Indien ein Drittel aller Neufahrzeuge elektrisch unterwegs sein. Das Ziel scheint ambitioniert, doch die Regierung macht Druck.

Die Preise auf der Porsche-Website lassen einen zusammenzucken. Der Taycan, als eines der wenigen Import-Elektroautos seit einigen Monaten auf dem indischen Markt, kostet in der Basisausstattung stattliche 13,2 Millionen Rupien. Mit ein paar Sonderausstattungen werden daraus dann sogar 17.831.800 Rupien und mit den entsprechenden Strafsteuern dafür, dass der Porsche Taycan aus dem Ausland eingeführt worden ist, steigt der Kaufpreis auf umgerechnet mehr als 260.000 Euro – rund das 2,5fache vom europäischen Preis. Wer meint, dass es in Indien keinen Luxusmarkt gäbe, irrt gewaltig. Geld genug ist trotz aller Armut in weiten Teilen Indiens vorhanden, denn der Staat steht mit derzeit 166 Milliardären weltweit an dritter Stelle. Damit nicht genug: auch die Zahl der Personen mit einem Nettovermögen von mehr als 30 Millionen Dollar ist im Jahr 2021 um elf Prozent gestiegen – mehr als irgendwo sonst im asiatisch-pazifischen Raum. 

Elektroautos in Indien: Kaum Ladesäulen – aber die Regierung hat ambitionierte Pläne

Wer mit einem Elektroauto wie dem Porsche Taycan auf den Straßen von Hyderabad, Delhi oder Mumbai unterwegs ist, fühlt sich wie in einem Raumschiff, das auf einem fremden Planeten gelandet ist. Kaum ein Roller, kaum eine Rikscha, von der nicht Handykameras klicken und Selfies und Mitfahrten gemacht werden – am liebsten gleich ein kleines Video. Doch die Regierung will nicht nur Luxuskunden in Elektroautos bringen und selbst wenn die Fahrzeuge auf den Straßen immer jünger werden – die aktuelle Lebensdauer eines indischen Autos liegt bei neun bis zwölf Jahren. Immerhin soll sich das Zeitalter der Verbrenner-Tuk-Tuks dem Ende neigen und die belieben Beförderungsmittel ab 2026 nur noch mit Elektroantrieben unterwegs sein. 

Elektroautos in Indien: Viele setzen aktuell lieber auf Erdgas

Elektroautos und Indien, das ist so eine Sache. In den ländlichen Regionen sind die Autos zwar jünger geworden, doch die Massenbewegung geschieht nach wie vor auf zwei Rädern. Aus den Auspuffendrohren der Rikschas dampfen rund um die Uhr dunkle Wolken – aufgrund der hohen Kraftstoffpreise steigen immer mehr auf Erdgas um. Rameesh ging einen anderen Weg, der er schenkte seinen Diesel-SUV dem Schwiegervater und stieg selbst auf einen Tata Nexon um, der seit kurzem ebenfalls mit Elektroantrieb verfügbar ist. „Ich pendle regelmäßig von Pune in die Nähe von Hyderabad“, sagt der indische IT-Spezialist, „ich wollte ein Elektroauto einfach einmal ausprobieren, weil mich die Technik interessiert.“ Mit einer Ladung schafft er je nach Fahrweise 280 bis 300 Kilometer. „Nach einem Jahr hat sich der Mehrpreis bezahlt gemacht, denn wir bekommen hier in Indien rund 20 Prozent Vergünstigungen“, lächelt Rameesh, „ich fahre den Wagen so drei, vier oder vielleicht fünf Jahre. Mal schauen, für was ich ihn dann noch verkauft bekomme.“ 

Ein Porsche Taycan kostet in Indien mehr als doppelt so viel wie in Europa.

Elektroautos in Indien: Hohe Steuern verteuern die Fahrzeuge enorm

Indiens Umstieg in die Elektromobilität ist beschwerlich und er wird dauern. „EVs befinden sich in Indien noch in der Anfangsphase. Während erschwingliche E-Fahrzeuge an Fahrt gewinnen, ist es für Luxusautohersteller aufgrund der hohen Einfuhrzölle schwierig, Fahrzeuge als CBUs zu importieren, um die Markttrends und das Kaufverhalten der Kunden zu beobachten“, erklärt Global-Data-Analyst Bakar Sadik Agwan, „Automobilhersteller wie Tesla und Mercedes haben ihre Besorgnis über die weltweit höchsten Steuern zum Ausdruck gebracht, die ihre Fahrzeuge im Vergleich zu entwickelten Märkten wie den USA und Europa bis zu doppelt so teuer und damit in Indien unerschwinglich machen. Der Aufbau einer Montage/Produktion für ein kleines Volumensegment ist für diese Luxusautohersteller wirtschaftlich nicht sinnvoll. Begrenzte Importe könnten dabei helfen, den Markt abzuschätzen und schließlich ihre zukünftigen Strategien zu planen. Das Rennen um die Elektrifizierung in Indien ist kein kurzer Sprint, sondern ein Marathon, der sorgfältige Planung und Ausführung erfordert.“ 

Elektroautos in Indien: Bis 2027 soll es 100.000 Ladesäulen geben

Gab es 2018 auf indischen Straßen gerade einmal 20.000 Elektrofahrzeuge, so wurden 2022 immerhin mehr als 300.000 Autos mit Elektroantrieb verkauft. Hauptproblem bleibt die überschaubare Zahl an Ladesäulen. Obwohl das Land mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern Millionen von Rollern, Rikschas und Auto auf seinen Straßen transportiert, gibt es aktuell nicht einmal 1.800 Ladestationen. Die indische Regierung hat in den kommenden Jahren viel vor: Bis 2030 soll ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch sein. Die Zahl der Ladesäulen soll bis zum Jahre 2027 auf 100.000 Einheiten ansteigen. Ford tüftelt aktuell an einer Lösung, mit der mehrere Fahrzeuge an nur einer Ladesäule Strom tanken können.

Elektroautos in Indien: VW liefert Komponenten für Mahindra

Die Autohersteller sind längst nicht mehr in Wartestellung. Sie wollen den indischen Markt erobern – und nach vielen müden Jahren nunmehr der nächste Versuch mit Elektrofahrzeugen. Volkswagen mit Skoda als treibender Kraft betreibt in Indien zwei Fertigungsstätten in Pune und Aurangabad mit einer Produktionskapazität von rund 240.000 Fahrzeugen. Mit seinen fünf vertretenen Marken verkaufte die Volkswagen-Gruppe im abgelaufenen Jahr knapp 135.000 Fahrzeuge in Indien – ein Zuwachs von 86 Prozent. Der Konzern beschäftigt in Indien 6.000 Mitarbeiter und ist indirekt für die Beschäftigung von weiteren 25.000 Mitarbeitern bei Händlern und Zulieferern verantwortlich. Skoda war seit 2001 besonders mit Octavia, Fabia und Rapid erfolgreich, die zumeist lokal gefertigt werden. Jetzt liegt der Fokus auf den Modellen Kushaq und Slavia, von denen. Neben dem Porsche Macan sind auch die beiden Audi-Modelle Etron und Etron GT im elektrischen Angebot.

Nachdem der sanfte Einstieg in den indischen Markt über Maruti-Kooperationspartner Suzuki vor Jahren floppte, geht Volkswagen jetzt einen anderen Weg. Neben den eigenen Modellen soll es eine lokale Zusammenarbeit richten. VW und Mahindra unterzeichneten im vergangenen August einen Vertrag über die Lieferung von VW-Elektrokomponenten für Mahindras neue Elektro-SUVs. Darüber hinaus loten beide Konzerne weitergehende Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Bereich der Elektromobilität aus. Hierbei soll es insbesondere um lokale Fahrzeugprojekte, Lade- und Energielösungen sowie Zellfertigung gehen. 

Elektroautos in Indien: Auch der Stellantis-Konzern hat das Land im Blick

Auch Stellantis blickt mehr denn je nach Indien. Der Mehrmarkenkonzern verspricht sich gerade bei den günstigen Marken Fiat oder Citroën ein gutes Zukunftsgeschäft. Aktuell gibt es lokale Fertigungen in Ranjangaon, Hosur und Thiruvallur, sowie zwei Entwicklungszentren in Chennai und Pune. Die Mitarbeiterzahl ist mit 3.000 für einen solch gigantischen Markt jedoch noch überschaubar. „Der neue C3 ist ein wesentlicher Bestandteil dieser internationalen Expansion und die erste Etappe der Wachstumsstrategie. Das weniger als vier Meter lange Fahrzeug zielt auf ein wichtiges Segment in Indien und Südamerika“, sagt Citroen-CEO Vincent Cobée, „modern, vernetzt und auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten, ist der neue C3 perfekt geeignet, um das Wachstum von Citroën zu unterstützen.“

Zehn Mikro-Elektroautos – perfekt für die Stadt geeignete Stromer

Opel Rocks-e
Opel Rocks-e: Mancher dürfte sich fragen, ob das überhaupt noch ein vollwertiges Auto ist. Gesetzlich ist er es wie alle Kleinstwagen nicht. Wer ihn fahren will, benötigt lediglich die Führerscheinklasse AM. Somit kann er schon ab 15 Jahren bewegt werden. Der Elektromotor leistet 8 PS und beschleunigt den Mini-Stromer auf 45 km/h. Mehr geht nicht. Die 5,5-kWh-Batterie reicht für eine Reichweite von 75 Kilometern. Danach muss der 2,41 Meter lange Opel Rocks-e für rund vier Stunden an die Steckdose. Kostenpunkt: rund 8.000 Euro © Opel
Renault Twizzy
Renault Twizy: Der kleine Franzose ist so etwas wie der Opa unter den Mikro-Elektroautos. Schon seit 2012 ist der Twizy in der Modellpalette von Renault zu finden. Mit 2,34 ist er etwas größer als Rocks-e und Ami. Statt nebeneinander nehmen die zwei Insassen hintereinander Platz. Seitenscheiben gibt es nur als Zubehör. Preislich geht es ab 11.450 Euro los. Wie die größere Version fahren will, benötigt jedoch einen richtigen Führerschein. Die Reichweite gibt Renault mit 90-100 Kilometern an. © Renault
City Transformer CT1
City Transformer CT1: Auch in Israel hat man die Mikro-Elektroautos für sich entdeckt. Der CT1 vom Start-up City Transformer macht seinem Namen dabei alle Ehre. Denn die Spurweite des Mini-Stromers lässt sich anpassen. Angetrieben wird er von zwei Elektromotoren an der Hinterachse. Das Start-up verspricht bis zu 180 Kilometer Reichweite und eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Wer den CT1 vorbestellt, zahlt 13.000 Euro, später soll er dann 16.000 Euro kosten. © City Transformer
Das Elektroauto e.GO Life
e.Go Life: Mit seinen 3,3 Metern ist der e.Go Life im Vergleich zu den andren Mini-Stromern fast schon ein Riese. Der 77 PS starke Elektromotor ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. In der Stadt soll er bis zu 206 km weit kommen. Kombiniert liegt die Reichweite bei 139 Kilometern. Wegen der Insolvenz von e.Go im Sommer 2020 wurde der Life zeitweise nicht gebaut. Dasd Geschäft wurde aber von der Next.E.Go Mobile SE übernommen. Mit dem e.wave X steht auch schon ein Life-Nachfolger bereit. © Marius Becker/dpa
Microlino 2.0.
Microlino 2.0: Von 1955 bis 1962 baute BMW das Leichtfahrzeug Isetta. Bis heute ist der Kleinstwagen Kult und feiert nun sein Comeback. Zumindest ähnelt der Microlino 2.0 der Isetta sehr. Angeboten wird der Mikro-Stromer in drei Batterieversionen mit 95, 175 und 230 km Reichweite. Der 20 PS starke Elektromotor beschleunigt das nur 450 Kilogramm schwere Mobil auf 90n km/h. Mit 14.990 Euro ist der Microlino jedoch nicht grade billig. © Arnulf Hettrich/Imago
Elaris Pio
Elaris Pio: Mit 2,81 Meter Länge bleibt dieser Elektro-Zwerg noch unter der Drei-Meter-Marke. In diesem Bereich verschwimmen die Grenzen zwischen Mikro-Auto und Pkw. In Sachen Antrieb befindet sich der Pio jedoch bei den Mikro-Stromern. Grade einmal 49 PS leistet der Elektromotor. Der Akku kommt auf 27 kWh und reicht für 225 Kilometer. Preislich liegt der Pio bei 21.900 Euro. © Elaris
FreZE Nikob EV
FreZE Nikob EV: In China ist der Elektro-Zwerg unter dem Namen Wuling Hongguang Mini EV bereits sehr erfolgreich. Damit das auch in Europa der Fall ist, brauchte es neben einem neuen Namen auch mehr Sicherheit und Energieeffizienz. Heißt: ESP, Airbags, neue Räder und eine LED-Beleuchtung. Angeboten wird das Nikob EV mit einer 13,8-kWh-LFP-Zelle mit 200 km Reichweite. Kosten soll das kleine Elektroauto 16.000 Euro. © Wulling
Elektrofrosch Bob Four
Elektrofrosch Bob Four: So ganz weiß man ja nicht, was dieses Gefährt sein möchte. Offiziell handelt es sich bei dem Elektrofrosch Bob Four um einen Kabinenroller. Entsprechend ist bei 45 km/h Schluss. Rund 100 Kilometer soll der Elektrofrosch kommen und das für grade einmal 8.990 Euro. Neben dem Bob Four hat Elektrofrosch noch weitere Mikromobile im Angebot.  © Elektrofrosch
Ari 802
ARI 802: Mit 2,22 fällt der Ari 802 sehr klein aus. Mit 643 Kilogram ist er zudem auch noch sehr leicht. Daher reichen 10 PS auch um den Kleinstwagen auf Tempo 80 zu bringen. In den Versionen 252 und 452 sind nur 25 beziehungsweise 45 km/h drin. Die Reichweite gibt Ari mit 120 bis 250 Kilometern an. Preislich schlägt der Ari 802 mit 10.990 Euro zu Buche.  © Ari

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Elektroautos in Indien: 2020 brachte Mercedes dort das erste E-Modell auf den Markt

Schwerer tun sich die Premiummarken aus Europa. BMW freute sich Anfang des Jahres über einen 35-prozentigen Anstieg der Verkäufe auf knapp 12.000 Fahrzeuge – nicht viel für einen solch großen Markt und die Tatsache, dass im BMW-Werk Chennai mittlerweile 13 Modelle produziert werden. Neben dem 2er Gran Coupé werden in CKD-Fertigung unter anderem der 3er, 5er, 6er, 7er sowie X1, X3 / X4, X5 / X7 und Mini Countryman gefertigt, um die gigantischen Steuern für Importe zu umgehen.

Bei Mercedes sieht es nicht viel anders aus. Der Stuttgarter Autobauer verkaufte 2022 knapp 16.000 Fahrzeuge – doch der Anstieg von stattlichen 41 Prozent hat seinen Grund in einem schlechten Vorjahr 2021. Damit liegt die Zahl auf dem gleichen Niveau wie 2017 oder 2018. 2020 brachte Mercedes mit seinem EQC sein erstes Elektromodell auf den Markt. Mittlerweile bieten die Schwaben zudem den AMG EQS 53, den EQB 300 und – lokal produziert – den Mercedes EQS 580 an. Aktuell mit einem Elektroanteil von unter drei Prozent. Doch die indische Vertriebsorganisation rechnet bis 2027 mit einer Vervielfachung auf bis zu 25 Prozent. Weil es mit dem indischen Ladenetz hakt, setzt Mercedes auf eigene Lösungen. MB India bietet mit 140 AC- und einigen DC-Schnellladern das größte Schnellladenetzwerk für Luxusautos an. (Stefan Grundhoff/press-inform)

Rubriklistenbild: © Porsche

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