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Audi: Gericht weist Klage eines VW-Mitarbeiters gegen gendergerechte Sprache ab

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Von: Christian Schulz

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Ein VW-Mitarbeiter hatte gegen einen Audi-Leitfaden für gendergerechte Sprache geklagt – vor Gericht ist der Mann nun gescheitert.

Update vom 30. Juli 2022, 08:50 Uhr: Das Landgericht Ingolstadt hat eine Klage gegen einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache bei der Audi AG abgewiesen. Ein Mitarbeiter der Konzernmutter VW, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeiten muss, hatte den Ingolstädter Autohersteller verklagt. Der Mann hatte sich daran gestört, dass die Audi-Beschäftigten in der Kommunikation mit ihm wegen des Leitfadens Gender-Formen mit Unterstrich („Mitarbeiter_innen“) nutzen - den sogenannten Gender-Gap.

Wie die Zivilkammer nun entschied, gibt es keinen Unterlassungsanspruch des Klägers. Der Vorsitzende Richter Christoph Hellerbrand betonte, dass der VW-Mitarbeiter nicht zur aktiven Nutzung des Leitfadens verpflichtet sei, weil dieser sich nur an Audi-Beschäftigte richte. Auch die passive Betroffenheit des Klägers reichte dem Gericht nicht aus. Es gebe für ihn kein Recht, „in Ruhe gelassen zu werden“, sagte Hellerbrand.

Der Prozess hatte bundesweit Beachtung gefunden, weil es auch in anderen Unternehmen Vorgaben zur Nutzung von gendersensibler Sprache gibt. Der Kläger kündigte an, das Urteil nun mit seinen Anwälten prüfen zu wollen. „Dass es weitere Schritte gibt, schließe ich explizit nicht aus“, sagte er zu möglichen Rechtsmitteln. Falls er Berufung einlegt, müsste sich das Oberlandesgericht München nochmals mit dem Fall befassen.

Der Kläger sagte aber auch, er wünsche sich unabhängig von dem juristischen Verfahren, dass es eine Diskussion über die richtigen Genderformen gebe. Die bei Audi verwendeten Gendervorgaben lehnt er ab, weil diese zu neuer Ungerechtigkeit führten. „Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“ Außerdem betonte er, dass Gendersprache auch lesbar sein müsse.

In der mündlichen Verhandlung im Juni war eine gütliche Einigung zwischen den Parteien gescheitert. Die Anwälte der Audi AG lehnten es ab, die Genderformen aus allen E-Mails an den VW-Prozessmanager und den dazugehörigen Anhängen zu entfernen. Dies sei nicht praktikabel, meinten sie. (Mit Material der dpa)

Update vom 8. Mai 2021, 10:11 Uhr: Laut übereinstimmenden Medienberichten wollen die Anwälte Dirk Giesen aus Düsseldorf und Burkhard Benecken aus Marl Klage einreichen, um ein Grundsatzurteil zu erhalten. Eine Unterlassungserklärung hat Audi offenbar nicht unterzeichnet, daher der Klageweg.

Update vom 13. April 2021, 10:54 Uhr: Seit etwas mehr als einem Monat heißt es bei Audi: „Vorsprung beginnt im Kopf“. Dahinter verbirgt sich der neue Leitfaden der Ingolstädter Autobauer für geschlechtergerechte Gender-Sprache. Diese soll künftig sowohl in interner als auch externer Kommunikation genutzt werden. Alle Details dazu, was das ist, zu den Hintergründen und der Begründung lesen Sie ein kleines Stück weiter unten in unserer ausführlichen Erstmeldung.

Über ein Jahr lang hat sich eine engagierte Projektgruppe innerhalb des Unternehmens Mühe gegeben und den seit Anfang März 2021 gültigen Leitfaden erarbeitet. Gemäß der neuen Sprachregelung, die für mehr Gerechtigkeit bezüglich der Geschlechter sorgen soll, hat Audi sich für die sogenannte „Gendergap“ entschieden. Doch dem ein oder anderen erklärten Gegner dieser „Gender-Lücke“ scheint das ein regelrechter Dorn im Auge zu sein – und offensichtlich Grund genug, sich daran abzuarbeiten. Anders lässt sich die drastische Reaktion eines Volkswagen-Mitarbeiters kaum erklären.

Audianer_innen provozieren Gender-Zoff: Neuer Ärger – sogar ein Prozess droht

Wie auch echo24.de berichtet, geht dieser VW-Beschäftigte nun sogar juristisch gegen den neuen Gender-Leitfaden von Audi vor – und strengt mithilfe seiner Anwälte eine Unterlassungsklage an, um die „Vorsprung beginnt im Kopf“-Regeln partout nicht anwenden zu müssen. Sein vorgebrachtes Argument: Er behauptet, die „Gendergaps“ in den Wörtern verletzten seine Persönlichkeitsrechte und den „Schutz der geschlechtlichen Identität“. Seine Anwälte Benecken & Giesen erklären dazu: „Unser Mandant ist in verschiedenen VW-Gremien tätig, die mit Mitarbeitern der Audi AG in ständigem Kontakt und Austausch stehen. Er ist daher direkt betroffen und hat das erforderliche Rechtsschutzinteresse.“

Doch der Volkswagen-Mitarbeiter ist nicht der Einzige, der sich an der Gender-Richtlinie von Audi reibt. Auch der konservative „Verein Deutsche Sprache e.V.“ (VDS) stört sich an dem progressiven Audi-Vorstoß in Sachen Sprache – und unterstützt den VW-Mitarbeiter aus diesem Grund „moralisch und finanziell“. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand traut, sich dieser sprachlichen Umweltverschmutzung entgegenzustellen“, findet der VDS-Vorsitzende Walter Krämer, dem wegen ähnlicher Aussagen bereits mehrfach eine sprachliche Nähe zu rechtspopulistischen Ausdrucksweisen vorgeworfen wurde.

Audianer_innen provozieren Gender-Zoff: Wut wegen geschlechtergerechter Schreibweise

Erstmeldung vom 4. März 2021, 9:52 Uhr: Ingolstadt – Im Jahr 1971 erfand Autohersteller Audi seinen Werbespruch „Vorsprung durch Technik“ – damals zunächst, um für die Mittelkasse-Limousine NSU Ro 80 zu werben. Der markante Slogan blieb den Ingolstädtern bis heute erhalten und wurde zu einem Markenzeichen des Unternehmens. Jetzt macht ein neuer Audi-Spruch die Runde – und sorgt für Gesprächsstoff: „Vorsprung beginnt im Kopf“. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um eine neue Idee der Marketing-Abteilung, sondern um einen Leitfaden des Konzerns für geschlechterbewusstere Sprache. Für manche offenbar ein Grund, sich richtig aufzuregen.

Denn Audi hat sich dazu entschlossen, in seiner Kommunikation fortan geschlechtergerechte Sprache und Schreibweisen zu verwenden. Wie die Ingolstädter mitteilen, wollen sie so mit der Zeit gehen – und die Vielfalt der Geschlechter angemessener abbilden. „Wertschätzung, Offenheit, Verantwortung und Integrität sind die Basis unserer Unternehmenskultur“, erklärt Audi-Personalchefin Sabine Maaßen das Vorgehen im Unternehmen: „Dies wollen wir auch in unserer Sprache deutlich machen.“ Der Anstoß dazu sei aus allen Bereichen der Belegschaft heraus erfolgt. (Neuer Audi RS e-tron GT: Überzeugender Tesla-Fighter fordert auch Porsche Taycan heraus)

Eine Ausdrucksweise, die Gender (dt.: soziales Geschlecht) berücksichtigt, sei eine Frage des gesellschaftlichen Respekts – und damit auch Ausdruck einer Haltung gegen Diskriminierung und für Vielfalt und Toleranz, erläutert Sabine Maaßen. Die unter anderem von der Arbeitgeber-Initiative „Charta der Vielfalt“ empfohlene Schreibweise sei wie das eigene Unternehmen fortschrittlich – denn sie bilde alle „nicht-binären“, also weder weiblichen noch männlichen, Geschlechter-Identitäten ab. Damit fahren die bayerischen Autobauer einen offensiveren Kurs als der Mutterkonzern Volkswagen, der im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit bislang keine geschlechtergerechte Sprache verwendet – dies aber Medienberichten zufolge ebenfalls erwäge. (Apple iCar soll 120.000 Euro kosten – sieht so das Ende der deutschen Autoindustrie aus?)

Eine Felge mit Audi-Logo
Geschlechtergerechte Sprache wird derzeit heftig diskutiert. Auch Firmen beschäftigt das Thema. Audi will nun vorangehen. © Sebastian Gollnow/dpa

Audianer_innen sorgen für Gender-Zoff: Das steckt hinter dem neuem Konzern-Leitfaden

Wie auch der Münchner Merkur berichtet, bestehen die neuen Richtlinien der Ingolstädter aus Ratschlägen und Anweisungen für die interne und externe Kommunikation. Gemäß des Leitfadens sollen die Angestellten von Audi künftig in Wort und Schrift Begriffe verwenden, die das generische Maskulinum (= Verwendung männlicher Begriffe in geschlechtsneutralen Fällen) umgehen – oder Wörter um einen sogenannten „Gendergap“ (dt.: „Gender-Lücke“) ergänzen und dafür den Unterstrich verwenden. Aus dem geflügelten Wort „Audianer“ wird so in Zukunft beispielsweise „Audianer_innen“. Der Leitfaden entstand in Kooperation mit der Organisation „Prout at Work“, die sich für Chancengleichheit von Menschen jeglicher sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität am Arbeitsplatz einsetzt – und gegen Diskriminierung im Job kämpft. (Elon Musk will Tesla Roadster schon 2022 schweben lassen – mit Raketen-Power von SpaceX)

Hintergrund der Audi-Offensive, die auf den einen oder die andere vielleicht befremdlich wirkt, ist eine Debatte über Sprache und deren Macht, den sozialen Status von Dingen festzulegen – und diesen damit für Generationen zu prägen. Kurz gesagt: Seit Jahrhunderten sollen Frauen sich mitgemeint fühlen, wenn zum Beispiel bei eigentlich neutralen Personen- und Berufsbezeichnungen das generische Maskulinum verwendet wird. Das gilt vielen als selbstverständlich – auch wenn Frauen mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ausmachen. Dazu kommt, dass es allein in Deutschland mehr als 120.000 Menschen gibt, die sich keinem binären biologischen Geschlecht – also Frau oder Mann – zuordnen wollen oder können. Auch die sollen sich einfach als mitgemeint betrachten. Seit einiger Zeit wird dies zunehmend kritisch hinterfragt – und oft heiß diskutiert. (BMW-Boss Oliver Zipse macht Elon Musk eindeutige Kampfansage: „Es wird nicht einfach für Tesla“)

Audianer_innen sorgen für Gender-Zoff: Erbitterter Schlagabtausch in den sozialen Medien

So weit, so gut, möchte man meinen – gerade im Jahr 2021 und vor dem Hintergrund ganz anderer Probleme. Aber weit gefehlt – für manche scheint das ein Grund zu sein, sich tierisch aufzuregen. Jedenfalls ist in den sozialen Medien ein regelrechter „Glaubenskampf“ ausgebrochen – der auf Twitter unter dem Hashtag #Gendergaga ausgefochten wird. Die Reaktionen auf die von Audi ergriffene Initiative fallen zahlreich aus – und zeigen, wie gespalten die Gesellschaft in dieser Frage ist. Wobei auch hier gelten dürfte, dass zahlenmäßig eher kleinere Gruppen oft besonders laut sind. (Mit Material der dpa)

Hier eine Auswahl der kontroversen Twitter-Meinungen:

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