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Älteste Autobahn Deutschlands wird 90 – warum der Nazi-Mythos falsch ist

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Von: Benjamin Stroka

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Am 6. August feiert die erste Autobahn Deutschlands ihren 90. Geburtstag. Die A555 zwischen Köln und Bonn ist gleichzeitig der Beweis, dass nicht die Nazis die Autobahn erfunden haben.

Köln/Bonn – Rund 13.200 Kilometer misst das komplette Autobahnnetz in Deutschland. Das ist mehr als doppelt so lang, wie die Entfernung von Köln nach New York (rund 6000 Kilometer). Damit hat Deutschland das zweitgrößte Autobahnnetz Europas, nach Spanien. Doch vor rund 90 Jahren ging es zunächst ganz klein los. Denn die erste Autobahn Deutschlands war nur 20 Kilometer lang. Sie verband die Städte Köln und Bonn. Am 6. August feiert die lange Zeit als „Diplomatenrennbahn“ bekannte A555 ihren 90. Geburtstag – und blickt auf eine bewegende Geschichte zurück, wie 24rhein.de berichtet.

A555
Länge20 Kilometer
Gebaut6. August 1932
AutobahnnetzAutobahn

A555: Konrad Adenauer nannte Autobahn 1932 schon „Straße der Zukunft“

Die A555 zwischen Bonn und Köln bei ihrer Eröffnung im August 1932 (links) und im Oktober 2021 (IDZRW-Montage).
Damals und heute: Die A555 zwischen Bonn und Köln bei ihrer Eröffnung im August 1932 (links) und im Oktober 2021 (IDZRW-Montage). © United Archives International /Imago & Manngold/Imago

Es ist der 6. August 1932. Fahnen und Girlanden schmücken den Verteilerkreis im Süden von Köln. Die Zeitungen in der Domstadt sind mit Sonderbeilagen gefüllt. Auch das Radio ist vor Ort und berichtet. Der Grund für den ganzen Trubel: In Köln wird eine neue Straße eingeweiht. Aber es ist nicht irgendeine Straße, es ist die erste Autobahn in ganz Deutschland. „So werden die Straßen der Zukunft aussehen“, freut sich Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister von Köln und später erster Bundeskanzler.

Ein grünes Band wird durchgeschnitten und das Deutschland-Lied ertönt. Danach macht sich eine ganze Karawane an Autos auf den Weg von Köln nach Bonn, um die neue Vorzeigestraße der Region direkt mal auszuprobieren.

A555 ist Deutschlands erste Autobahn: Sie wurde vor den Nazis gebaut

Der Bau begann im Oktober 1929. Gleichzeitig räumt die heute als A555 bekannte Autobahn damit einen jahrzehntealten Mythos aus dem Weg. Nämlich dem Glauben, dass Adolf Hitler und die Nationalsozialisten die Autobahn erfunden hätten. „Sie (die A555; d. Red.) ist Deutschlands älteste öffentliche Autobahn, und damit der deutliche Beweis, dass nicht die Nationalsozialisten die Väter der Autobahn sind, sondern honorige Herren vor ihnen“, erklärt die Autobahn GmbH zum Jubiläum im Sommer 2022.

Den Anstoß für den Bau der Autobahn gaben Konrad Adenauer, Autofan und damals Oberbürgermeister der Stadt Köln, sein Bonner Pendant Wilhelm Lürken und Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz. Sie wollten damit der immer weiter steigenden Zahl an Autos und dadurch auch Unfällen in der Region entgegenwirken. Obwohl es wirtschaftlich damals keine leichte Zeit ist, drücken sie den Bau der Autobahn durch. Kostenpunkt immerhin 8,6 Millionen Reichsmark (heute rund 31 Millionen Euro), wovon die Hälfte aus Berlin, Hauptstadt der damaligen Weimarer Republik, übernommen wurde.

Das Archivbild des Landschaftsverbandes Rheinland zeigt die Feier zur Eröffnung der A555 in Köln im August 1932.
Das Archivbild des Landschaftsverbandes Rheinland zeigt die Feier zur Eröffnung der A555 in Köln im August 1932. © Landschaftsverband Rheinland/dpa

A555: 5500 Arbeiter bauen die Autobahn in unter drei Jahren

Der Bau der Autobahn war echte Handarbeit. Bagger und Förderbänder waren verboten, lediglich Loren durften genutzt werden. Das hing mit der Finanzspritze zusammen, die sich Adenauer und Co. aus Berlin erhofften. Denn die Rheinländer verkauften der Hauptstadt den Bau der Autobahn als sogenannte „Notstandsarbeit“, also eine staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Entsprechend wurden über 5500 Arbeitslose eingesetzt, um die Autobahn zu bauen. Und für die gab es keine Alternative. „Wer sich gegen die Arbeit sträubt, erhält keine Stütze“, hieß es damals. In weniger als drei Jahren bauten sie die erste deutsche Autobahn. Am 8. August 1932, also zwei Tage nach der Eröffnung, wird die Strecke dann auch für den öffentlichen Verkehr geöffnet. Vier Fahrspuren, zwei in jede Richtung, mit einer Breite von je drei Metern stehen nun allen Autofahrern zur Verfügung. Ein Tempolimit hält man damals für unmodern und verzichtet daher darauf. Bis auf eine längere Kurve bei Wesseling ist die Strecke nahezu gerade.

Golfclub war gegen Bau der Autobahn

So feierlich die Autobahn zwischen Köln und Bonn 1932 auch eröffnet wurde, nicht alle waren vom Bau der Strecke begeistert. Der Golf- und Landclub Köln beispielsweise war Ende der 1920er-Jahre klar gegen die Pläne. Fünf Löcher des eigenen Golfplatzes büßte der Club durch den Bau der Autobahn ein. Später entschieden sich die Golfer für einen kompletten Tapetenwechsel und zogen nach Refrath. Aber auch die damalige Gemeinde Urfeld, heute ein Teil von Wesseling, beschwert sich. Die Autobahn-Route wurde mitten durch einige Felder ihrer Bauern gezogen.

A555: Erste Autobahn Deutschlands war zunächst für Motorräder verboten

Es dauert nicht lange, dann sind dort täglich rund 4000 Autos unterwegs. Kurz zuvor wurden noch einige wichtige Regeln festgelegt, unter anderem, „dass das Halten, Parken oder Wenden verboten“ sei. Genauso, wie das „Treiben von Tieren oder das Befahren mit Pferdefuhrwerken, Fahr- oder Krafträdern.“ Also auch Motorräder durften die Autobahn zunächst noch nicht befahren. Später wurde das Verbot, auch nach heftiger Kritik durch den ADAC, wieder gekippt.

Kurios: Die Regeln für die Autobahn waren zuvor auf Tafeln am Anfang und Ende der Strecke in Stichworten zu lesen. Der Abschnitt mit dem Verbot für Motorradfahrer wurde nach der Aufhebung einfach per Hand überpinselt.

Die einzige Ausfahrt liegt zu dieser Zeit in Wesseling. Anfang und Ende der Autobahn sind damals, genau wie heute, jeweils die großen Kreisverkehre in Köln und Bonn. Übrigens: Anders als heute gibt es damals noch keine Begrenzung der Fahrbahn in der Mitte.

A555: Erste Autobahn Deutschlands – Nazis degradieren sie zur Landstraße

1933 kommen dann die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Und das hat kurz darauf auch Folgen für die Köln-Bonner Autobahn. Sie wird von den Nazis wieder zur Landstraße degradiert. Der Plan der NSDAP: Adolf Hitler sollte sich als Erfinder der Autobahn feiern lassen können. Dabei hatten die Nazis wenige Jahre zuvor eigentlich noch nichts von Autobahnen wissen wollen, waren sogar klar gegen reine Autostraßen, die als Luxus für die Reichsten angesehen wurden.

Das ändert sich aber nach der Machtübernahme. Durch die Arbeit von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels entsteht der Mythos der „Straßen des Führers“. Die Nazis lassen, auf Grundlage von bereits fertigen Plänen der Vorgängerregierung, Autobahnen bauen.

A555 zwischen Köln und Bonn: Autobahn wird zur Diplomatenrennbahn

Die spätere A555 zwischen Köln und Bonn bleibt davon aber erstmal unbeachtet. Bis sie wieder zur Autobahn wird, sollte es noch viele Jahre dauern. Erst am 1. April 1958 wird die Straße zunächst als A72 wieder ins deutsche Autobahnnetz integriert. Kurz darauf folgt auch der Ausbau auf insgesamt sechs Fahrstreifen. Den Namen A555 trägt die Strecke seit Juni 1974. Bis heute hat die Autobahn aber auch noch einen besonderen Spitznamen: Diplomatenrennbahn.

Die A555 zwischen Köln und Bonn wird in den 1960er-Jahren auf eine Gesamtbreite von 40 Metern ausgebaut.
Die A555 zwischen Köln und Bonn wird in den 1960er-Jahren auf eine Gesamtbreite von 40 Metern ausgebaut. © Wolfgang Weihs/dpa

Der Grund dafür: Bis auf eine kurze Phase in den 1960er-Jahren gibt es auf der A555 kein Tempolimit. Bonner Regierungsangestellte, die in Köln wohnen, ausländische Diplomaten und Staatsbesucher nutzten die A555 daher gerne, um mit Höchstgeschwindigkeit zwischen Köln und der damaligen Bundeshauptstadt Bonn hin und her zu rasen. Ein Tempolimit auf der A555 gibt es erst seit 2004.

A555 heute: Rund 100.000 Autos täglich zwischen Köln und Bonn

Das alte Stück Landstraße in der Mitte der A555 in Köln.
Das alte Stück Landstraße in der Mitte der A555 in Köln steht heute unter Denkmalschutz. © Autobahn GmbH

A555: Relikt alter Tage noch heute sichtbar

Wer schon mal am Verteilerkreis in Köln auf die A555 aufgefahren ist, dem dürfte es bereits aufgefallen sein: das mehrere hundert Meter lange Mittelstück zwischen den Fahrbahnen. Von Bäumen gesäumt liegt dort ein echtes Relikt vergangener Tage. Denn dieses Stück Asphalt ist tatsächlich ein altes Stück der ehemaligen Bonner Landstraße/Reichstraße 9. Diese Straße war Anfang der 1940er-Jahre bis zu einem Tunnel in Höhe der heutigen Ausfahrt Rodenkirchen befahrbar. Mit dem Ausbau der Strecke auf sechs Fahrstreifen wurde gleichzeitig dieser Abschnitt der ehemaligen Landstraße stillgelegt. Heute steht er unter Denkmalschutz.

Bis heute ist die A555 eine wichtige Verkehrsachse im Rheinland. 80.000 bis 100.000 Autos nutzen täglich die Strecke zwischen Köln und Bonn – Tendenz steigend. Und damit die Autobahn auch noch weit über ihren 90. Geburtstag genutzt werden kann, wird sie stetig saniert. Aktuell laufen noch bis 2025 Sanierungsarbeiten der A555 im Bereich Wesseling. Dabei sollen unter anderem Lärmschutzwände und Flüsterasphalt aufgetragen werden. Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass auch die älteste Autobahn Deutschlands modern bleibt und mit der Zeit geht. Schließlich will man in rund zehn Jahren den 100. Geburtstag feiern.

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